Kommentar: Was Korrupte anrichten
Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) ist mit einer „2-1-0“-Formel in den politischen Herbst gestartet. Gemeint sind maximal zwei Prozent Inflation in absehbarer Zeit, mindestens ein Prozent Wirtschaftswachstum und null Toleranz gegenüber allen, die die Gesellschaft in Frage stellen. Umso bemerkenswerter ist seine Toleranz in Bezug auf Korruption.
Ja, Korruption: Gemeint ist viel mehr als die strafrechtlich relevante Definition. Damit kommt man in Österreich nicht weit. Kann man in Frankreich zum Beispiel wegen illegaler Parteienfinanzierung eingesperrt werden, bleibt einem das hierzulande erspart; es gilt als Kavaliersdelikt. Gemeint ist ein strengerer Begriff im Sinne des Missbrauchs einer Machtposition zum Vorteil von sich selbst oder Parteifreunden etwa und auf Kosten anderer. Was das betrifft, ist Stocker sogar unerträglich tolerant.
Sonst hätte er sich diese Woche nicht ausdrücklich gefreut, dass sein Klubobmann August Wöginger mit einer nicht rechtskräftigen Diversion davongekommen ist. Gegangen ist es darum: Er hat dazu beigetragen, dass ein Parteifreund Leiter eines Finanzamtes in Oberösterreich werden konnte; und zwar auf Kosten einer besser qualifizierten Kandidatin. Das ist mittlerweile bestätigt. Wöginger hat seine Rolle lange bestritten, am Prozesstag jedoch eingestanden, Verantwortung übernommen und sein Bedauern ausgedrückt.
Für Stocker ist damit alles erledigt. Motto: Schwamm drüber. Wöginger darf nicht nur Abgeordneter, sondern auch Klubobmann bleiben. Dabei widerspricht das, was er getan hat, sogar dem Verhaltenskodex für ÖVP-Funktionäre. Darin heißt es, dass sie sich um Anliegen, die an sie herangetragen werden, kümmern sollen. Es folgt jedoch ein Aber: „Dabei ist darauf zu achten, dass es nicht zu unzulässiger Einflussnahme, inhaltlicher oder zeitlicher Bevorzugung insbesondere gegenüber Dritten kommt.“
Insofern ist der Umgang mit dem Fall Wöginger verlogen, um es in aller Deutlichkeit zu sagen. Die Signalwirkung ist verheerend: Österreich ist eine demokratische Republik. Kennzeichnend dafür ist, dass alle gleich an Rechten sind und an Chancen sein sollten. Für Letzteres hat die Politik zu sorgen.
Zu sehr tut sie jedoch das Gegenteil davon. Schwarze und rote Parteibuchwirtschaft ist über die Jahre unter dem Titel „Proporz“ gepflegt worden, als handle es sich um das Normalste der Welt. Die SPÖ hat nie davon abgeschworen und macht sich dadurch mitschuldig. Jetzt steht die ÖVP am Pranger.
Postenschacher ist eine schallende Ohrfeige für alle, die qualifiziert sind und leisten, aber nicht das richtige Parteibuch haben. Sie sind die Dummen, werden benachteiligt: Wozu sollen sie sich überhaupt anstrengen? Klar: Eine rhetorische Frage. Sie soll jedoch verdeutlichen, worum es geht: Unrecht und Gift für die Gesellschaft. Daher kann es nur null Toleranz dafür geben, darf der vorliegende Fall nicht erledigt sein, sondern muss Anlass für Konsequenzen sein, die zu einer korrekten Politik führen.
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