17 Prozent der Pflichtschüler mit Übergewicht: “Der Trend ist besorgniserregend”

Politik / 17.10.2025 • 15:21 Uhr
17 Prozent der Pflichtschüler mit Übergewicht: "Der Trend ist besorgniserregend"
Je älter die Kinder sind, desto übergewichtiger sind sie. APA

Gesundheitsbericht aus den Pflichtschulen zeigt: 17 Prozent aller Schüler übergewichtig. Körperliche Gesundheit hängt vom psychischen Wohlbefinden ab.

Lustenau Dem neunjährigen Samuel aus Lustenau mangelt es nicht an Bewegung. Kaum von der Schule zu Hause, isst er, macht seine Hausaufgaben und stürmt hinaus auf die Wiesen, erzählt er. “Ich klingle die Nachbarskinder raus und wir spielen entweder Fußball, Abklatschfängerlis oder wir erfinden ein lustiges Spiel.” Samuel ist ein positives Beispiel. Nicht alle Kinder sind wie er. Das zeigen die Schuluntersuchungen an Vorarlbergs Pflichtschulen: Mehr als 17 Prozent der Schülerinnen und Schüler sind übergewichtig oder adipös. Bei den Über-15-Jährigen fallen gar nur noch 57,9 Prozent der Untersuchten in die Kategorie “Normalgewicht”. 12,3 Prozent sind untergewichtig, 31,7 Prozent übergewichtig oder extrem übergewichtig, also adipös. Es krankt aber auch im System.

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Je jünger, desto besser sind die Werte. Bei den Unter-Sechs-Jährigen sind 78,1 Prozent normalgewichtig, danach sinkt der Wert, bis eben zu den Über-15-Jährigen. 6,6 Prozent der Untersuchten leiden unter “extremer Adipositas”. Zwar sind tendenziell eher die Jungen stärker übergewichtig, allerdings leiden 10,2 Prozent der untersuchten Mädchen über 15 an “extremer Adipositas”; 13,3 Prozent haben Untergewicht.

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Samuel aus Lustenau isst gerne Obst und mittlerweile auch Gemüse. VN/BVS

Immerhin 70 Prozent der Schülerinnen und Schüler essen täglich Obst oder Gemüse. Wie Samuel aus Lustenau. Er schildert: “Ich bin schon etwas heikel, aber oft probiere ich was Neues aus. Seit Neuestem mag ich auch Käse und ein bisschen Gemüse. Darauf bin ich stolz.”

Christian Höpperger MS Mittelweiherburg
Christian Höpperger, Direktor der MS Mittelweiherburg in Hard, sucht seit sechs Jahren einen Schularzt. VN/HK

Rund ein Drittel der 33.000 Schülerinnen und Schüler an 95 der 252 Vorarlberger Pflichtschulen wurden von Schulärzten untersucht. Nicht dabei ist etwa die Mittelschule Mittelweiherburg in Hard. Sie hat seit sechs Jahren gar keinen Schularzt, erzählt Direktor Christian Höpperger. Zudem besucht das Dentomobil für Zahnprophylaxe die Schule nicht mehr. Aus Spargründen habe man ihm abgesagt. “Das ist bedauerlich”, sagt Höpperger. “Gerade an Schulen mit hohem Sozialindex können sich Eltern eine Vorsorge in dem Ausmaß nicht leisten, eine Gruppe geht überhaupt nicht zum Arzt. An den Pflichtschulen könnte viel für die Volksgesundheit getan werden.” Ähnlich sieht es Harald Geiger, Leiter des Kinderärztezentrums Dornbirn. “In den Pflichtschulen gelingt es den Gemeinden aufgrund der allgemeinen Verknappung an Fachkräften nicht, die schulärztliche Versorgung sicherzustellen.” Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher hofft auf Besserung: “Wir werden die schulärztliche Versorgung an den Pflichtschulen weiter stärken und setzen dabei auf Digitalisierung, sobald sie vom Bund ermöglicht wird, und gezielte Anwerbung von Schulärztinnen und Schulärzten gemeinsam mit den zuständigen Gemeinden.”

Kinderärztezentrum Dornbirn, Dr. Harald Geiger
Kinderarzt Harald Geiger spricht von einem besorgniserregenden Trend.

Was die Gesundheit von Kindern betrifft, spricht der langjährige Kinderarzt Harald Geiger von einem besorgniserregenden Trend. “Vor allem, was die psychische Gesundheit von Kindern angeht.”

Das zeigt auch die Untersuchung. 20,4 Prozent der Schülerinnen und Schüler sind öfter oder täglich nervös. Fast 18 Prozent sind öfter oder täglich gereizt. Adipöse Schülerinnen und Schüler leiden häufiger an psychosozialen Beschwerden. Geiger bestätigt: Die Gesundheit hänge stark von der sozialen Entwicklung ab. “Da tut sich eine gewaltige Schwere auf. Wir haben sehr viele unglückliche Kinder. Kinder, von denen die Eltern in sozialen Notlagen leben. Diese Kinder haben in unserem System die schlechteren Karten.” Früher seien Kinder vor allem wegen Infektionskrankheiten zum Kinderarzt gekommen. “Heute sind auch psychische und sozialpsychiatrische Probleme ein großer Teil unserer Arbeit.”

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Der neunjährige Samuel versucht, sich gesund zu ernähren. VN/BVS

Der Unterschied der Systeme zeigt sich auch an den Schulärzten. In der Bildungsdirektion gibt es zwar einen Landesschularzt, er ist aber nur für die Bundesschulen zuständig. “Im Bundesschulbereich sind sämtliche Schulen schulärztlich versorgt,” berichtet Landesschularzt Tobias Lingenhöle. “In der Regel sind die Ärzte an zwei Vormittagen pro Woche an der Schule.”

An den Pflichtschulen hingegen ein- bis zweimal pro Jahr. Falls überhaupt. Harald Geiger warnt: “Wenn man an der Gesundheit der Kinder und den Sozialausgaben spart, wird sich das über kurz oder lang niederschlagen.” Er korrigiert: “Es schlägt sich schon jetzt nieder.”