SOS-Kinderdorf: Missbrauchsvorwürfe gegen Hermann Gmeiner – auch in Vorarlberg

Menschen / HEUTE • 10:51 Uhr
Auch im SOS-Kinderdorf Dornbirn wurden Kinder misshandelt. Die Organisation SOS-Kinderdorf ist um Aufarbeitung bemüht. PAULITSCH
Auch im SOS-Kinderdorf Dornbirn wurden Kinder offenbar geschlagen. 2014 wurde das Heim am Knie geschlossen. Die neuen Vorwürfe haben eine andere Tragweite. VN

Gegen den 1986 verstorbenen Gründer der SOS-Kinderdörfer, Hermann Gmeiner, gibt es nun auch persönlich schwere Missbrauchsvorwürfe. Die Organisation stellt sich ihrem Erbe.

Wien Wie die Organisation der APA sagte, steht der Gründer Gmeiner im Verdacht, an zumindest acht minderjährigen Burschen “sexuelle Gewalt und Misshandlungen” ausgeübt zu haben. SOS-Kinderdorf will sich nun vollkommen neu aufstellen und die Vergangenheit rigoros aufarbeiten.

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Die Missbrauchs-Meldungen stammen aus Opferschutzverfahren der Organisation in den Jahren 2013 bis 2023 und wurden seitdem geprüft. Die Übergriffe selbst sollen in den 1950er- bis 1980er-Jahren an vier Standorten in Österreich stattgefunden haben. “Die Betroffenen haben die Geschehnisse im Rahmen des Opferschutzverfahrens plausibel dargelegt; die Entscheidungen zu Entschädigung erfolgen auf Basis einer Plausibilitätsprüfung, es handelt sich um keine forensische Untersuchung”, sagte SOS-Kinderdorf-Geschäftsführerin Annemarie Schlack der APA. Weitere Opfer könne man nicht ausschließen. Übergriffe auf Mädchen sind nicht bekannt.

Gegenüber den VN erklärte SOS-Kinderdorf, dass die bekannten Unterbringungsorte der Betroffenen in den vier Bundesländern Kärnten, Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg liegen. “Zu den konkreten Standorten der mutmaßlichen Übergriffe können wir derzeit keine gesicherten Informationen herausgeben”, verweist mana uf die laufende Arbeit der unabhängigen Reformkommission, die historischen Fälle und Akten prüft.

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Alle acht Betroffene wurden mit bis zu 25.000 Euro entschädigt, zudem wurden Therapieeinheiten bezahlt. Gmeiner galt zeit seines Lebens als juristisch unbescholten. Das Opferschutzverfahren ist auch kein juristisches Instrument, sondern “ein Anerkennungs- und Unterstützungsinstrument”.

Auf die Frage, ob im Zusammenhang mit dem Namen Gmeiner strafrechtliche Ermittlungen gegen etwaige Mitwisser bzw. Mittäter anhängig seien, wurde seitens der Staatsanwaltschaft Innsbruck auf ein bereits anhängiges Ermittlungsverfahren verwiesen. Dieses betreffe aber nicht Gmeiner, sondern mutmaßliche Kindesmisshandlungen, die sich primär auf einen ehemaligen Leiter am Standort Imst beziehen, sagte eine Sprecherin.

Vorwürfe werden seit Jahren untersucht

International tauchten vor allem in Asien und Afrika immer wieder Missbrauchsvorwürfe gegen die Organisation auf. 2021 hat das SOS-Kinderdorf Österreich erstmals den Verdacht von sexuellem Missbrauch von betreuten Kindern und Jugendlichen von einem inzwischen verstorbenen Österreicher publik gemacht.

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Auch Zöglinge des SOS-Kinderdorf Dornbirn berichteten von Gewalt als Erziehungsmethode durch die Ziehmutter. Zum SOS-Kinderdorf in Dornbirn wurden laut SOS-Kinderdorf insgesamt acht Opferschutzverfahren geführt. Sie beziehen sich auf Vorfälle aus den 1970er- bis 1990er-Jahren und reichen konkret bis 1999. In diesen Verfahren wurden Entschädigungen zwischen 15.000 und 25.000 Euro sowie Therapieeinheiten zugesprochen.

2007 erschütterte ein Missbrauchsfall das Dorf, ein ehemaliger Bewohner des Dorfes verging sich an anderen Ziehkindern. 2009 wurde der damals 43-Jährige zu sieben Jahren Haft verurteilt. Das SOS-Kinderdorf Dornbirn wurde 2014 aufgrund mangelndem Bedarf geschlossen, seitdem fokussiert sich das SOS-Kinderdorf auf Wohngruppen für junge Menschen aus schwierigen Verhältnissen.

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Vollkommene Neuaufstellung der Organisation

SOS-Kinderdorf kündigt einen umfassenden Neustart der Organisation an. “Schon 2026 wird SOS-Kinderdorf anders aussehen als heute”, versichert Geschäftsführerin Schlack. Zudem prüft eine Reformkommission unter dem Vorsitz von Irmgard Griss die Vorfälle und Strukturen von SOS-Kinderdorf und unterstützt die Organisation “in der vollständigen Aufarbeitung – egal, wie lange eine Gewalterfahrung zurückliegt und unabhängig davon, ob es sich um Täter und Täterinnen in führenden Positionen gehandelt hat”, hieß es. Am Ende des Prozesses wird ein Abschlussbericht veröffentlicht. Die Reformkommission kann online unter https://reformkommission.at kontaktiert werden

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Kein aktueller neuer Verdachtsfall

Derzeit liegt bei SOS-Kinderdorf kein neuer Missbrauchs-Verdachtsfall vor. Es gibt aber aktuell 67 Meldungen, die über die diversen Andockstellen an die Organisation herangetragen wurden. Da das Spektrum dieser Eingänge sehr weit ist, muss sich daraus nicht zwingend ein neuer Fall ergeben, hieß es. Die Geschäftsführerin rief aber etwaige betroffene Personen dazu auf, sich bei SOS-Kinderdorf zu melden – auch im Fall Gmeiner.

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