Schrei nach Bürgerbeteiligung

Politik / 28.10.2025 • 13:58 Uhr
Schrei nach Bürgerbeteiligung
„Wenn die Bürger wirklich Einfluss nehmen und entscheiden können, steigt das Vertrauen in die Politik”, stellt Volkswirt David Stadelmann fest. Foto: APA

Nur eine Minderheit hat den Eindruck, von der Politik gehört zu werden.

SCHWARZACH. Es ist ein schwacher Trost: In keinem anderen Bundesland haben so viele Menschen das Gefühl, dass ihre Stimme in politischen Fragen gehört wird wie in Vorarlberg. Auch hier handelt es sich jedoch nur um eine Minderheit: Der Anteil beträgt laut einer Statistik Austria-Erhebung gerade einmal 32 Prozent. Österreichweit sind es mit 20 noch viel weniger. Ähnlich sind die Verhältnisse in Beug auf den Eindruck, dass persönliche Interessen vertreten werden: In Vorarlberg handelt es sich zwar um überdurchschnittlich viele, die das tun, aber auch nur 38 Prozent.

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Anders formuliert: Eine klare Mehrheit fühlt sich von der Politik nicht wahrgenommen. „Das verweist auf eine tiefere Vertrauenskrise“, sagt Krimhild Büchel-Kapeller. Sie ist Expertin für Bürgerbeteiligung, Sozialkapital und Nachhaltigkeit und hat sich als Mitarbeiterin des Landes vor ihrer Pensionierung genau damit beschäftigt.

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Immer öfter höre sie die Aussage: „Die Politiker haben keine Ahnung, wie schwierig das Leben wirklich geworden ist, ihnen fehlt die Bodenhaftung.“ Es stehe im Zusammenhang mit existenziellen Sorgen, die in Zeiten stark steigender Preise sowie unsicherer Einkommen zunehmen würden.

Kriemhild Büchel-Kapeller, Sozialkapital-Beauftragte Zukunftsbüro VN
„Viele sind überzeugt, dass Lobbygruppen oder „die da oben“ mehr Einfluss haben als die „normale“ Bevölkerung”, so Kriemhild Büchel-Kapeller. Foto: Land Vorarlberg

Die Distanz zwischen Politik und Alltag zeige sich dort, wo vielleicht gut gemeinte Maßnahmen kaum wahrnehmbare Verbesserungen im Alltag bringen würden: „Wenn etwa Pflegezuschuss oder Energieförderungen aufwendig beantragt werden müssen und am Ende keine echte Entlastung zu spüren ist, wächst der Eindruck, dass Politik an den Bedürfnissen vorbei handelt“, so Büchel-Kapeller. Auch Korruptionsaffären hätten das Vertrauen erschüttert: „Viele sind überzeugt, dass Lobbygruppen oder „die da oben“ mehr Einfluss haben als die „normale“ Bevölkerung.“

Genau das wird durch FPÖ-Chef Herbert Kickl bekräftigt. Erklärt es seinen Erfolg? „Einerseits ja“, antwortet David Stadelmann, Volkswirt an der Uni Bayreuth: „Den meisten ist jedoch klar, dass es mit einer anderen Regierung nicht großartig besser wäre.“

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Bei der Statistik Austria-Umfrage, die im Rahmen einer Erhebung mit über 3800 Teilnehmern zu sozialen Krisenfolgen im Sommer durchgeführt worden ist, haben bemerkenswerterweise auch nirgends so viele wie in Vorarlberg angegeben, dass sie finden, durch ihr Handeln in ihrem Wohnumfeld oder an ihrem Arbeits- oder Ausbildungsplatz etwas ändern zu können. In diesem Fall handelte es sich mit 64 bzw. 73 Prozent um große Mehrheiten.

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Eine Erklärung dafür ist laut Büchel-Kapeller, dass es hierzulande schon lange Bürgerräte gibt: „Und nach fast 60 Bürgerräten ist das Bewusstsein für Beteiligung spürbar gewachsen.“ Viele würden sich allerdings eine mutigere Umsetzung von Empfehlungen erwarten.

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David Stadelmann von der Uni Bayreuth ist überzeugt, dass es der Politik selbst guttun würde, direkte Demokratie zu fördern. Foto: VN/Hofmeister

David Stadelmann ist überzeugt, dass es der Politik selbst guttun würde, angesichts der erwähnten Umfragewerte und der großen Herausforderungen direkte Demokratie zu fördern: „Wenn die Bürger wirklich Einfluss nehmen und entscheiden können, steigt das Vertrauen in die Politik.“ Die Leute wüssten dann, dass sie jederzeit eingreifen können. Zudem würden sie sich intensiver mit Problemen auseinandersetzen. Umgekehrt sei Politik gezwungen, von vornherein mehr auf sie einzugehen.