Kommentar: Unternehmerin und schwanger – zwischen Existenz und Anschluss

Politik / 18.11.2025 • 10:06 Uhr
Kommentar: Unternehmerin und schwanger - zwischen Existenz und Anschluss

Ein Gastkommentar von Helga Boss.

Im Unternehmer:innen-Netzwerk wurde kürzlich folgende Frage gestellt: Eine Vorarlberger Unternehmerin, sie hat 130 Mitarbeitende und die volle Verantwortung für diese Menschen und ihr Unternehmen. Die einfache, aber entscheidende Frage lautete: Wie funktioniert das mit dem Kinderbetreuungsgeld?

Die Antwort: Gar nicht.

Zumindest nicht, solange sie weiterarbeitet.

Wird eine selbstständige Unternehmerin in Österreich schwanger, bieten sich ihr im Wesentlichen folgende Möglichkeiten: Sie kann ihr Unternehmen für die Dauer der Schwangerschaft und danach ruhend stellen, weiterhin etwas aktiv bleiben innerhalb der (geringen) Zuverdienstgrenze oder weiterarbeiten, dann allerdings ohne Anspruch auf staatliche Leistungen. Eine Wahl, die keine ist. Denn ein Betrieb mit Angestellten, Aufträgen und laufenden Kosten lässt sich nicht einfach pausieren.

Diese Situation ist der Ausdruck eines Systems, das Frauen in der Selbstständigkeit strukturell benachteiligt. 46 Prozent aller Gründungen in Österreich stammen mittlerweile von Frauen. Trotzdem orientieren sich die rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen nach wie vor am klassischen Angestelltenmodell. Wer gründet, riskiert beim Thema Kinderbetreuungsgeld durchs Raster zu fallen.

Das Absurde daran: Dieselben Frauen, die Arbeitsplätze schaffen, Steuern zahlen und Innovation vorantreiben, werden im entscheidenden Moment allein gelassen – wirtschaftlich und sozial. Während für weibliche Angestellte bei einer Schwangerschaft klar geregelte Ansprüche bestehen, müssen Unternehmerinnen kreative Umwege finden z.B. durch GmbH-Gründungen, interne Geschäftsführerwechsel, juristische Konstruktionen, um ihr Unternehmen weiter führen zu können.

Das Ergebnis: Frauen gründen ein kleineres Unternehmen, riskieren weniger, viele entscheiden sich sogar ganz gegen das Unternehmertum – nicht, weil sie es nicht wollen, sondern weil sie es sich nicht leisten können.

Und was für Unternehmerinnen gilt, betrifft ebenso Unternehmer. Auch Väter mit eigenem Betrieb haben de facto keine Möglichkeit, in Karenz zu gehen. Vereinbarkeit und Gleichberechtigung erfordern Lösungen für selbstständige Eltern – von einer fairen Einbindung ins Kinderbetreuungsgeldsystem bis zu steuerlichen Regelungen, die Familiengründung ermöglichen.“

Solange Unternehmer:innen ihr Unternehmen faktisch einfrieren müssen, wenn sie ein Kind bekommen, reden wir nicht von unternehmerfreundlichen Rahmenbedingungen. Das bremst Wachstum, verhindert Innovation – und kostet am Ende Wohlstand.

Elternschaft darf kein Risiko sein – weder privat noch wirtschaftlich.

Helga Boss ist selbstständige Unternehmensberaterin, Dozentin an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und Mutter von zwei Kindern.