Kommentar: Angriff auf Europa
Unter der EU-Flagge verbirgt sich das Hakenkreuz des Dritten Reichs, „The Fourth Reich“, „das Vierte Reich“, schreibt ein Mensch ohne Klarnamen zu diesem unfassbaren Posting – und X-Eigentümer Elon Musk kommentiert zustimmend dazu: „Pretty much“, „größtenteils“. Ein Social-Media-Posting vom vergangenen Sonntag, das leider alles über die Plattform X und den Geist der hier mittlerweile herrscht, erzählt: Die EU und damit Europa werden als Feindbild dargestellt und mit Nazi-Vergleichen verunglimpft.
Tesla-Chef Musk, verhaltensorigineller US-Milliardär und Freund anderer Mächtiger, fordert nach der Verhängung einer Geldbuße von 120 Millionen Euro gegen seine Plattform X ebendort am Sonntag allen Ernstes das Ende der EU: „Die EU sollte abgeschafft und die Souveränität an die einzelnen Länder zurückgegeben werden, damit die Regierungen ihre Bevölkerung besser vertreten können.“ Musk ist für seine ungesteuerten Emotionsausbrüche bekannt, aktuell geht es ihm dabei allerdings vor allem ums Geld. Denn die EU-Kommission hatte die Buße am Freitag verhängt und diesen Schritt mit mangelnder Transparenz bei Werbung und Nutzerkonten auf der Plattform begründet. Es war die erste Strafe der Brüsseler Behörde gegen ein großes US-Technologieunternehmen im Rahmen des EU-Gesetzes für digitale Dienste (DSA).
Regeln als „Zensur“
Und nun müssen die mächtigen US-Digitalkonzerne so empört wie erstaunt feststellen: Europa meint es ernst und möchte, dass sich auch Techriesen an Regeln halten. Die US-Regierung von Präsident Donald Trump kritisierte die Entscheidung umgehend und warf der EU „Zensur“ vor – eine beliebte Taktik, wenn es darum geht, den digitalen Raum als rechtsfreie Zone zu bewahren, wo jeder alles machen kann, ohne wie in der analogen Welt mit rechtlichen Konsequenzen rechnen zu müssen. Die Digitalkonzerne scheren sich wenig um die Demokratie, sie schüren vielmehr noch die negativen Gefühlsstürme, die im Netz regieren.
Doch auch abseits des empörten Mr. Musk zeigt sich jetzt das grundlegende Umdenken des offiziellen Amerika gegenüber Europa. In der nun präsentierten neuen nationalen US-Sicherheitsstrategie werden angebliche Demokratiedefizite und Einschränkungen der Meinungsfreiheit in Europa kritisiert, bis hin zur „Unterdrückung der politischen Opposition“; der wirtschaftliche Niedergang Europas werde von der Gefahr einer „zivilisatorischen Auslöschung“ überlagert. Solchen Angriffen sollten wir Europäerinnen und Europäer nicht nur mit Diplomatie, sondern vor allem mit Zusammenhalt und Selbstbewusstsein begegnen, vom Aufbau eigener Digitalangebote bis hin zur gemeinsamen Sicherheitspolitik. Auf die USA als Verbündeten wird man leider nicht mehr zählen können.
Julia Ortner ist Journalistin mit Vorarlberger Wurzeln, lebt in Wien und ist Redaktionsleiterin von ORF.at.
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