Tunesiens Sonneninsel im Mittelmeer

Nach der friedlichen Revolution geht es auch im Tourismus wieder aufwärts
reise. (VN-D. Castor) „Chef, ein Kamel für deine Frau!“, ruft ein Tunesier am Strand der Mittelmeerinsel Djerba. Er führt zwei gesattelte Dromedare an den Liegestuhlreihen vorbei. Die Dromedare bedeuten für den Mann ein kleines Vermögen. Sie bieten ihm die Möglichkeit, am Strand ein paar Dinare zu verdienen, indem er Kinder und Erwachsene reiten lässt oder mit ihnen für ein Foto posiert. Der weiße, feinsandige, kilometerlange Strand und das klare türkisblaue Meer bilden die ideale Kulisse.
Angenehme Temperaturen
Reiter genießen sie ebenso wie die von Motorbooten gezogenen Paraglider, die Surfer und die Katamaransegler. Selbst im späten Herbst hat das Mittelmeer bei Djerba noch angenehme Badetemperaturen. Im Winter reicht die Wärme für ausgedehnte Strandspaziergänge, im Windschatten sogar für Sonnenbäder. Geradezu ideal sind die Bedingungen für Golfer. Die Insel beeindruckt aber keineswegs auf den ersten Blick. Teilweise versteppte Anbauflächen mit hohen Dattelpalmen wechseln mit kleineren Siedlungen, mit pastellfarbigen Häuschen, weißen, mit hohen Mauern umgebenen Villen und architektonisch erstaunlich gut gelungenen Hotelanlagen. Djerba ist am bequemsten per Flugzeug zu erreichen. Autofahrer setzen von Jorf auf einer Fähre über oder benutzen bei El Kantara den sogenannten Römerdamm.
Bei der üblichen Rundfahrt schimpft der rundköpfige Fremdenführer Mohammed auf die frühere römische Besatzung, als wäre sie erst gestern gewesen. Die wenigen Attraktionen hat er schnell abgehakt. Zur größten zählt die jüdische Synagoge La Ghriba bei Er Riadh, früher Hara Seghira. Für die noch im Land gebliebenen Juden ist La Ghriba, „die Wundertätige“, ein bedeutendes Wallfahrtsziel.
Ein Besuch im Töpferdorf
Im Töpferdorf Guellala reihen sich entlang der Hauptstraße die in ganz Tunesien verbreiteten bunten Keramiken. Ursprünglich gab es hier nur die unglasierten erdfarbenen Tonkrüge, die Fischer auch zum Fangen von Tintenfischen benutzen. Etwas abseits entdecken wir einen Töpfer, der klares Wasser aus seiner Zisterne schöpft. Das Süßwasser gäbe dem gebrannten Ton die rote Farbe, das Meerwasser die weiße. Über seinen in die Erde gemauerten Brennöfen stapeln sich dekorativ missglückte Keramiken. In der Werkstatt stehen säuberlich aufgereiht die Gefäße für den Verkauf.
Houmt Souk, die Hauptstadt, liegt gut zehn Kilometer von der touristischen Küste entfernt. Am Hauptplatz Hedi Chaker drängen sich die Souvenirläden mit Lederwaren, Keramiken, Puppen und Schmuck. In den Straßencafés und Restaurants hocken Einheimische und Touristen. Es lohnt, durch die kleineren Gassen zu schlendern. Originelle Hotels sind aus den früheren Händlerherbergen entstanden. Ihre Galerien reihen sich um einen Innenhof und erinnern an die „ghorfas“, die alten Speicherstätten der Nomaden auf dem Festland.
Obst, Gemüse und Fisch
Die Markthallen von Houmt Souk überbieten sich mit frischem Obst und Gemüse. Auf dem Fischmarkt werden an Schnüren aufgereihte Fische jeweils von einem Mann versteigert, der erhöht auf einem Stuhl sitzt und mit unbewegtem Gesicht die Angebote entgegennimmt. Auf dem einfachen Gemüsemarkt in Hafennähe, schräg gegenüber der Festung Bordj el Kebir, sind fast nur Einheimische beim Einkauf. Frauen, die über ihrem Schleier häufig noch einen Strohhut tragen, prüfen die Waren, handeln und füllen ihre Körbe.
Djerba ist auch ein guter Ausgangspunkt für Wüstentouren mit Bus, Jeep oder Leihwagen. Für eine Tour bis in die Sahara sollte man wenigstens zwei Tage rechnen. Da Leihwagen relativ teuer sind, empfiehlt sich eine Bustour. Zuerst werden die ghorfas (Speicher) von Médénine angefahren. Die wie Waben übereinander gebauten Höfe (ksour) der Halbnomaden wurden renoviert. Souvenirläden haben sich in einem davon breitgemacht. Von seinen gewölbten Dächern sieht man hinüber zu weiteren ksour, die noch ursprünglicher wirken.
Ein Höhlenhotel in Matmata
In Matmata werden wir in einer der Wohnhöhlen willkommen geheißen. Sie sind überraschend komfortabel eingerichtet. Mittagessen gibt es in einem Höhlenhotel. Die langgezogene Küstenoase Gabbès durchfahren wir mit Kutschen. Wir sehen direkt auf den in Stufen stattfindenden Anbau dieses „Gartens Eden“. Unter den Dattelpalmen gedeihen Feigen, Aprikosen, Oliven, Granatäpfel, Bananen und Tabak. Kommt man schließlich in das trübe feuchtkalte Wetter Europas zurück, so erscheinen einem die blendend weißen Kubenhäuser, Palmen, Kamele, weiße Strände und türkisblaues Meer nur noch wie eine Fata Morgana.