Im wilden Herzen Italiens

Der Nationalpark Gran Sasso im Apennin ist noch ein Geheimtipp. Wanderer erleben hier eine unendliche Weite.
In der Ferne bewegen sich braun-weiße Punkte: eine Kuhherde. Mit Glockengebimmel nähern sich die Tiere gemächlich einem kleinen See inmitten der weiten, einsamen Steppenlandschaft des Campo Imperatore. Ein heißer Tag geht zu Ende, der Durst ist groß. Die Kühe saufen, Kälbchen planschen im Wasser, der Hirte Ludovico sucht sich ein Ruheplätzchen mit Blick auf seine Tiere. Die Hochebene Campo Imperatore in der Region Abruzzen ist das Herzstück des Nationalparks Gran Sasso und Monti della Laga. Bis auf etwa 2100 Meter Höhe führt eine einsame Panoramastraße. Sie endet am Fuß des Corno Grande, in einem Paradies für Berg- und Naturfreunde. Der Apennin, ein mächtiger Gebirgszug, der Italien von Norden bis Süden durchzieht, bildet das Rückgrat der stiefelförmigen Halbinsel. Im Gran-Sasso-Nationalpark erreicht das Gebirge mit dem 2912 Meter hohen Corno Grande den höchsten Gipfel. Auf den Corno Grande ist Ludovico, der Rinderzüchter, noch nie gestiegen. Dabei verbringt der über 60-Jährige jeden Sommer mit seinen Tieren unweit des Berges. „Ich bin von Anfang Juni bis Ende Oktober hier oben. Die Rinderzucht mache ich, so lange die EU das noch unterstützt“, sagt Ludovico und ergänzt: „Bis 1999 hatte ich auch noch 600 Schafe. Aber das lohnt sich nicht mehr.“ Die 140 Rinder und Kühe gehören dem drahtigen Mann mit der wettergegerbten Haut. Früher lebten die Hirten in Tolos, kleinen Steinhütten. Doch heute fährt er mit seinem alten Fiat zum Übernachten nach Hause. Dann übernehmen seine Hütehunde die Aufsicht. Drei flinke, schwarze Schäferhunde treiben die Kühe zusammen. Doch das Kommando haben die drei großen, weißen Abruzzen-Schäferhunde. Mit Pflichtgefühl und Mut wachen sie über die Herde und können es sicher mit Wölfen und Bären aufnehmen, die es dort oben gibt.
Die Abruzzeser sind stolz darauf, dass mehr als ein Drittel ihrer Landesfläche unter Schutz steht und sie sich die „grünste Region Europas“ nennen darf. Den Namen Campo Imperatore, kaiserliches Feld, gab man der 27 Kilometer langen und bis zu sieben Kilometer breiten
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