VN-Reisebericht Vancouver Island: Insel im Öko-Modus

Reise / 25.08.2019 • 08:00 Uhr
VN-Reisebericht Vancouver Island: Insel im Öko-Modus
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Auf Vancouver Island wird Nachhaltigkeit – fast immer – großgeschrieben.

Das Navi im Mietauto gibt die Route vor. Die nächsten 100 km geht es geradeaus. Man könnte glauben, Elon Musk hatte seine Vision der selbstfahrenden Autos – die längst an den Fließbändern von Tesla und Co. gefertigt werden – bei einem Besuch in Vancouver Island. Aber entspanntes Fahren funktioniert in der westlichsten Ecke Kanadas auch ohne Autopilot. Kein Raser, kein Drängler, kein Hupen, kein wildes Gestikulieren. Die Inselbewohner sind auch im Straßenverkehr komplett tiefenentspannt.

VN-Reisebericht Vancouver Island: Insel im Öko-Modus

Ihre Autos sind meist riesig und man sieht mit freiem Auge, dass es dafür gute Gründe gibt. Hier hat man nicht wie bei uns im Winter die Skier auf dem Dach, sondern das Stand-Up Paddle Board, ein Kanu, seinen Kajak oder gleich mehreres davon. Für die „small cars“ – im Prinzip alle Autos in jener Größe, wie wir Europäer sie kennen – gibt es vor den Supermärkten eigens ausgewiesene Parkplätze. Wären diese gigantischen Pick-ups und SUV nicht, könnte man meinen, die ganze Insel sei im Öko-Modus. Kaum ein Restaurant, das nicht sein Organic Food anpreist, jeden lokalen Lieferanten penibel auf der Speisekarte anführt oder mit kleinen ortsansässigen Brauereien zusammenarbeitet. Aber auch viele Modegeschäfte sind längst auf den „Zurück zur Natur”-Trend aufgesprungen und bieten hochwertige und hochpreisige Ware an. Die Billigketten sind in Victoria, der Hauptstadt von Vancouver Island, in der Minderheit. Die intakte Natur ist die Lebensgrundlage der Inselbewohner, der Tourismus der mit Abstand wichtigste Wirtschaftszweig. Kein Wunder, dass fast niemand an dem Ast sägt, auf dem man so gut sitzt.

Wale und Sandstrände in Tofino

Die 100 km ohne eine einzige Abzweigung zeigt das Navi auf der knapp fünfstündigen Fahrt von Victoria nach Tofino, neben Victoria der Touristen-Hotspot der Insel. Leben dort von September bis Mai etwa 2000 Menschen, so steigt diese Zahl im Sommer um das Zehnfache. Es sind vor allem Surfer, die sich dort tummeln, weil ein atemberaubender und kilometerlanger Sandstrand auf den anderen folgt. Aber trotz des Touristenansturms zur Hochsaison hat man das Gefühl, der Strand gehöre einem fast alleine. Auch für „Whalewatcher“ ist Tofino eine Reise wert, da die Saison lang ist. Beim jährlichen Festival Anfang März wird die Ankunft der Grauwale gefeiert, die auf ihrem Weg von Mexiko nach Alaska einen Stopp in Tofino einlegen. Einige von ihnen bleiben gar das ganze Jahr. Daher geht die Saison bis Ende November.

Während Tofino in jedem Reiseführer angepriesen wird, ist Port Renfrew – obwohl nur zwei Stunden von Victoria entfernt – eher ein Geheimtipp geblieben. Aber auch dort werden wir an der Rezeption mit dem Hinweis begrüßt, dass sich heute schon ein Wal in der Bucht habe blicken lassen. Das 150-Seelen-Nest kann zwar keine kilometerlangen Strände bieten, dafür aber Buchten wie den Botanical Beach mit dem beeindruckenden Spiel der Gezeiten. Ist Ebbe (low tide), offenbaren sich den Besuchern kleine „tide pools“, in denen man bunte Seeanemonen, verschiedene Muscheln oder Seesterne bewundern kann.

Die Holzfällersiedlung Port Renfrew ist aber auch Ausgangspunkt für einen Abstecher nach Avatar Grove, einem der letzten gemäßigten Regenwälder der Erde. Man taucht ab in eine andere Welt, in der man sich neben über 80 Meter hohen und 1000 Jahre alten Bäumen plötzlich ganz winzig fühlt. Superlativ reiht sich an Superlativ: Die grösste Sitka-Fichte Kanadas kann man hier ebenso bestaunen wie die grösste Douglasie der Welt. Heute sind alle Bewohner stolz auf dieses Juwel, das war aber nicht immer so. Engagierte Umweltschützer bewahrten die grüne moosüberwucherte Wunderwelt in jahrelangem Kampf vor der Rodung durch Holzverarbeitungskonzerne. Nur 15 Prozent der Regenwälder auf Vancouver Island blieben von diesem Raubbau verschont.

Ein Totem der „First Nations“ vor dem Parlament in Victoria. CO
Ein Totem der „First Nations“ vor dem Parlament in Victoria. CO

Zurück in Victoria, so etwas wie die kleine Schwester von Vancouver, taucht man zwar wieder ins Stadtleben ein, aber auch hier wird man den Eindruck nie los, dass alles ein wenig gemächlicher ist als bei uns. In der Innenstadt schließen viele Läden bereits um 18 Uhr ihre Pforten, im tagsüber so lebhaften Chinatown gehen in den Restaurants schon um 21 Uhr die Lichter aus. Man hat das Gefühl, die Einheimischen sehnen sich nach etwas Ruhe in einer Stadt, die eine magische Anziehungskraft auf Touristen aus aller Welt ausstrahlt. CO

Vancouver Island

Provinz British Columbia

Hauptstadt Victoria (ist neben der Inselhauptstadt gleichzeitig Provinzhauptstadt von British Columbia)

Fläche 31.285 Quadratmeter

Länge 460 km

Breite 100 km

Einwohner 775,347 (2016)