Grunge, Glas und Großstadtflair: Unterwegs in Seattle und Washington State

Reise / 19.05.2025 • 11:23 Uhr
Grunge, Glas und Großstadtflair: Unterwegs in Seattle und Washington State
Die Space Needle ist das Wahrzeichen der Stadt. Sie entstand 1962 im Rahmen der Weltausstellung. Edelweiss/Loren Bedeli

Der Nordwesten der USA bietet Kulinarik, Musik und eine vielfältige Landschaft.

Seattle Vom Balkon meines Hotelzimmers aus sehe ich sie zum ersten Mal – die Space Needle. Hell erleuchtet steht sie über den Dächern Seattles. Ich habe sie mir größer vorgestellt und trotzdem bin ich beeindruckt. Irgendetwas an dieser schlanken Silhouette, die sich gegen den nächtlichen Himmel abzeichnet, fasziniert mich schon lange. Sie steht sinnbildlich für diese Stadt, die für Technologie, Kunst und Musik bekannt ist. Schließlich ist Seattle nicht nur Sitz von Amazon und Starbucks, sondern gilt auch als Wiege des Grunge. Bands wie Nirvana, Pearl Jam oder Soundgarden haben von hier aus die Weltbühnen erobert – mit einem Sound, der rauer, ehrlicher und lauter war als alles, was man bis dahin kannte.

Grunge, Glas und Großstadtflair: Unterwegs in Seattle und Washington State
Der Pike Place Market wurde 1907 gegründet und ist damit einer der ältesten Märkte der USA. Edelweiss/Loren Bedeli

Besuch auf dem Pike Place Market

Am nächsten Morgen widmen wir uns allerdings zunächst der Kulinarik. Und wo könnte man besser in die Geschmackswelt der Stadt eintauchen als am Pike Place Market? Frühmorgens ist es hier noch vergleichsweise ruhig. Trotzdem liegt bereits der Geruch von Espresso und frischen Doughnuts in der Luft. In der Atrium Kitchen treffen wir Traci, die uns auf einen kulinarischen Streifzug durch den Markt mitnimmt. Wir kaufen ein, plaudern mit den Verkäufern, machen einen Abstecher zur ältesten Starbucks-Filiale gleich gegenüber vom Markt und kehren schließlich mit einem Korb voller Zutaten in ihre Küche zurück. Auf dem Menü: King Salmon aus den Gewässern vor der Stadt, Avocado mit einem Dressing aus Ahornsirup und frischen Beeren sowie frisch gebackener Speck, verfeinert mit scharfem Senf und Honig.

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Traci bereitet in der Atrium Kitchen ihre Gerichte mit viel Leidenschaft zu. Edelweiss/Loren Bedeli
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Fische fangen wird hier wörtlich genommen. Am Pike Place Market fliegen die Fische beim Verkauf regelmäßig durch die Luft. Edelweiss/Loren Bedeli

Von der Dachterasse schweift der Blick hinaus aufs Wasser und die Containerschiffe, die vor dem Hafen liegen. Einige davon leer. „Ein stiller Hinweis auf die globalen Handelskonflikte“, verrät Traci. Das ist aber auch schon beinahe alles, was man hier im Norwesten des Landes von der aktuellen politischen Situation mitbekommt. Trump und seine Politik sind hier zwar nicht beliebt, scheinen aber auch kein großes Thema zu sein. Dass die Grenzüberquerung ins nahe gelegene Kanada nicht mehr ganz so einfach ist, schmerzt viele dann aber doch.

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Glas, Stahl und klare Linien prägen das Bild von Downtown Seattle. Beate Rhomberg

Glaskreationen von Chihuly

Nach dem Markt schlendern wir zu einem weiteren Highlight der Stadt: Der 1,4 Kilometer langen Einschienenbahn, die uns von der Innenstadt direkt zum Chihuly Garden and Glass bringt. Der Künstler Dale Chihuly hat mit seinen verspielten, farbintensiven Glaskreationen einen einzigartigen Ort geschaffen. Riesige Eiskristalle und Meeresbewohner aus Glas sowie gigantische Kunstwerke in allen Farben lassen uns irgendwo zwischen Faszination und Kitsch staunen. Deutlich schlichter ist das Glashaus, in dem sich ein rot-gelbes Kunstwerk wie eine Feuerblume durch den Raum schlängelt – und gleichzeitig den Blick auf die Space Needle freigibt, die sich über das Dach spannt.

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Die riesigen Glasskulpturen des Künstlers Dale Chihuly. Beate Rhomberg

Spektakuläre Aussicht

Genau dort wollen wir jetzt auch hin. Der Aufzug führt uns auf 160 Meter Höhe bis zur Aussichtsplattform, die einen tollen Rundumblick auf die Stadt freigibt, aber auch auf den allgegenwärtigen Mount Rainier und den Puget Sound, wie die Meeresbucht vor der Stadt genannt wird. Doch die Stadt ist mehr als ihr Panorama. Wer wirklich verstehen will, was sie geprägt hat, muss ihr zuhören. Seattle ist Klang. Und dieser Klang ist oft rau und ungeschönt. In den 1990er-Jahren wurde die Stadt zum Epizentrum einer Musikrichtung, die aus Kellerclubs und Proberäumen auf die großen Bühnen der Welt drang: Grunge. Bands wie Nirvana, Pearl Jam, Soundgarden oder Alice in Chains kombinierten den schweren Sound des Punk mit melancholischer Melodie und gaben einer Generation eine Stimme. Es war Musik gegen Schönfärberei, gegen Glanz, gegen alles, was poliert war – und gerade deshalb so kraftvoll. Spuren dieser Zeit findet man auch im Museum of Pop Culture, kurz MoPOP. Bereits das Gebäude selbst zieht alle Blicke auf sich: Eine schimmernde Fassade aus gewellten Metallplatten in Bronze, Kobaltblau und Violett. Entworfen wurde der Bau vom Architekten Frank Gehry, der auch für das Guggenheim-Museum in Bilbao verantwortlich zeichnet. Für das MoPOP ließ er sich vom zersägten Korpus einer E-Gitarre inspirieren.

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Für Musikliebhaber:innen ist die riesige Sammlung beim unanhängigen Radiosender KEXP ein Traum. Man könnte hier wohl ewig in den Plattten und CDs stöbern. Edelweiss/Loren Bedeli

Ein ganzes Stockwerk ist dem Grunge gewidmet: alte Verstärker, Songtexte, rare Mitschnitte. Hier wird deutlich, wie aus einem Sound eine weltweite Bewegung wurde. Nur wenige Blocks entfernt schlägt das musikalische Herz der Stadt noch heute: KEXP, ein unabhängiger Radiosender, der sich der Förderung von alternativer und lokaler Musik verschrieben hat. Im gläsernen Studio kann man die Moderatoren beim Senden beobachten, in der Lounge Kaffee trinken oder in den Vinylregalen stöbern. Berühmte Acts wie Macklemore, The Lumineers oder Of Monsters and Men standen hier bereits vor ihrem Durchbruch auf der Bühne.

„Welcome to America“

Am Abend geht es in den Central Saloon, einen der letzten Grungeclubs der Stadt. Hier spielte Nirvana eines ihrer ersten Konzerte in Seattle. Viel hat sich seitdem nicht verändert: Der Boden ist klebrig, die Bühne niedrig, das Bier günstig. Drei lokale Bands liefern ein Set zwischen Punk und Post-Grunge. Das Publikum nickt im Takt. Die Szene ist kleiner geworden – aber lebendig. Seattle hat sich musikalisch weiterentwickelt. Heute gibt es hier eine aktive Indie-, Folk- und Hip-Hop-Szene. Doch die DNA des Grunge und der Stolz darauf bleibt spürbar. Ein freundlicher Ami gibt uns inzwischen einen Shot aus und prostet uns mit den Worten „Welcome to America“ zu. Daran hat auch Trump nichts geändert, Touristen sind hier noch immer herzlich willkommen.

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Sie alle und viele mehr standen im Central Saloon schon auf der Bühne. Beate Rhomberg

Seattle/Washington State

Anreise Edelweiss fliegt ab Juni bis September neu zweimal wöchentlich nonstop nach Seattle. Buchbar auf flyedelweiss.com.
Infos visitseattle.de bietet jede Menge Tipps und Infos zur Destination.
Unterkunft Nachhaltig konzipiert, gut gelegen und komplett neu ist das
1 Hotel Seattle.
Essen Atrium Kitchen, Pike Place Market in Seattle
Aberdeen „The Music Project“ bietet Einblick in das Leben von Kurt Cobain. Wer sich näher für sein Leben interessiert, sollte sich das MoPop in Seattle nicht entgehen lassen.

Tipp Im Stadtteil Capitol Hill in Seattle gibt es einen tollen Buchladen mit einer riesigen Auswahl in schöner Atmosphäre. Elliott Bay Book Company


Im Reich der Regenwaldriesen

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Der Land of the Legends Trail erzählt vom spirituellen Erbe des Regenwaldes. Edelweiss/Loren Bedeli

Zwischen moosbedeckten Ästen, riesigen Farnen und uralten Bäumen wirkt der Olympic National Park wie eine eigene Welt. In kaum einem anderen Schutzgebiet der USA zeigt sich die Vielfalt der Natur so eindrucksvoll: vom rauen Pazifikstrand über alpine Berggipfel bis zum dichten Regenwald. Der Hoh Regenwald, einer der feuchtesten Orte Nordamerikas, ist das grüne Herz dieses UNESCO-Biosphärenreservats.

Land of Legends Trail

Ein besonders schöner Weg führt über den Land of the Legends Trail in der Nähe von Forks. Der rund 1,2 Kilometer kurze Rundweg schlängelt sich durch alten Sitka-Fichtenwald und erzählt an mehreren Stationen die Geschichten der indigenen Völker der Region – mit geschnitzten Tafeln, Symbolen und Erzählungen aus der Mythologie der Quileute.


Einer der schönsten Strände der Welt

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Treibholz und hohe Wellen: Die Strände im Norden Amerikas sind wild.Beate Rhomberg

Wer den Ruby Beach im Olympic Nationalpark besucht, versteht schnell, warum dieser Ort so oft in Filmen. Zudem wurde er 2025 von Lonely Planet als einziger Strand der USA in die Liste der besten Strände der Welt aufgenommen. Der Sand ist dunkel, das Licht diffus, das Meer rau – und genau deshalb so eindrucksvoll.

Aberdeen: Auf Kurt Cobains Spuren

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In diesem Haus in Aberdeen verbrachte Nirvana-Frontman Kurt Cobain seine Kindheit. Beate Rhomberg

Es sind wohl alleine die Fans von Kurt Cobain, denen das trostlose Städtchen Aberdeen, zwei Stunden entfernt von Seattle etwas sagt. Hier kann man sich auf die Spuren des Nirvana-Frontmans begeben, das Haus besuchen, in dem er aufgewachsen ist und das neue, interaktive Museum besuchen, das sich seinem Leben widmet.