„Bedeutung von Sandy wird überschätzt“

Washington. (VN-fd) Der Politologe Peter Filzmaier (45) im VN-Gespräch über die knappen Umfragewerte und die Chancen von Amtsinhaber Barack Obama.
Das Rennen um das Amt des US-Präsidenten ist Umfragen zufolge denkbar knapp. Was wird die Wahl entscheiden?
Filzmaier: Auf jeden Fall nicht der Wirbelsturm „Sandy“, dessen Bedeutung halte ich außerhalb von New York, New Jersey und Connecticut für überschätzt – und dort gewinnt Obama sowieso. Letztlich geht es um die Schlüsselfrage: Ist die Wirtschaftskrise gerade noch so wenig schlimm, dass Obama Präsident bleibt? Noch nie ist ein US-Präsident bei mehr als acht Prozent Arbeitslosigkeit wiedergewählt worden. Derzeit zählt die USA 7,9 Prozent.
Ein Auszählungskrimi wie nach der Wahl 2000, aus der George W. Bush letztlich als Sieger hervorging, ist auch diesmal möglich?
Filzmaier: Absolut. Eine Studie aus dem Jahre 2008 geht von 400.000 falsch registrierten Wählern aus – und die könnten bei einem extrem knappen Ergebnis das Zünglein an der Waage sein. Der Grund: Jedem einzelnen Bezirk ist es freigestellt, wie das Abstimmungsverfahren geregelt wird. Das kann problematisch sein.
Herausforderer Mitt Romney hat eine bemerkenswerte Aufholjagd hingelegt. Warum kann sich Obama nicht auf seinen Amtsbonus berufen?
Filzmaier: Es gibt zwei Gründe. Zum einen sind die Wirtschaftsdaten nicht so gut, dass sie für einen Amtsinhaber eine sichere Sache sein könnten. Zum anderen muss Obama mit einer republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus regieren. Und die hat ihm das Leben so schwer wie möglich gemacht, sodass er keine Erfolgsbilanz vorlegen kann.
Würde der US-Präsident in Europa gewählt, stünde Obama weiterhin felsenfest im Amt. Wieso ist der Demokrat hierzulande so populär?
Filzmaier: Historisch war Obama auch deshalb so beliebt, weil sich nach Bush niemand einen Republikaner ins Weiße Haus wünschte. Die US-Republikaner sind zudem deutlich konservativer als politische Kräfte in Österreich. Hierzulande würden sie mit den religiös-motivierten Stimmen keine Wahl gewinnen. In den USA schon.
Wer wird als Sieger aus der Wahl hervorgehen?
Filzmaier: Obama ist nach wie vor Favorit. Aber er kann sich nicht sicher sein.