Ein „liebender Hirte“ wird gesucht

115 Kardinäle suchen einen Papst. Erster Wahlgang blieb ergebnislos.
Rom. (VN-tm) 17.31 Uhr. „Extra omnes!“ (Alle hinaus.) Mit dünner Stimme verkündet der vatikanische Zeremonienmeister Guido Marini (48) den unmittelbaren Beginn der Papstwahl. Die Chorsänger, die mit den 115 Kardinälen im Wechselgesang eben noch die Hilfe des Heiligen Geistes beschworen haben, gehen hinaus. Dann schließt der Genueser die Tür. Die Papstwähler sind unter sich.
Alles blickt nach oben
19.42 Uhr. Ein Raunen geht durch die Menge, die sich trotz nasskalten Wetters auf dem Petersplatz versammelt hat. Dichter schwarzer Rauch quillt aus dem derzeit wohl prominentesten Kamin der Welt. Oben, vom Dach der sixtinischen Kapelle aus, verkündet er, dass die Kardinäle bei ihrem Wahlgang noch zu keiner Entscheidung gelangt sind. 77 Stimmen braucht der künftige römische Pontifex Maximus mindestens. Er hat sie am ersten Wahltag nicht erhalten. Das hat auch niemand erwartet. Ab heute werden die Kardinäle bis zu vier Mal täglich zur Wahl schreiten. So lange, bis der neue Papst gefunden ist.
Wie der beschaffen sein sollte, das hat Kardinaldekan Angelo Sodano (85) am Vormittag während des Gottesdienstes im Petersdom gepredigt. An der Messe „Pro Eligendo Romano Pontifice“ („Für die Wahl des römischen Papstes“) nahmen neben den 115 Papstwählern auch jene Kardinäle teil, die altersbedingt nicht ins Konklave einziehen.
Sodano pries die Amtszeit des zurückgetretenen Papstes Benedikt XVI. als „leuchtendes Pontifikat“. Die Anwesenden antworteten mit langem Applaus. Die Grundhaltung jedes Hirten in der Kirche müsse die Liebe sein, sagte Sodano. Dies gelte in besonderer Weise für den Petrusnachfolger. Diese Liebe müsse sich angesichts von Ungerechtigkeit, Armut und der Zerbrechlichkeit des Menschen zeigen, dürfe sich jedoch nicht nur auf karitatives Wirken beschränken, so der Kardinaldekan. Die letzten Päpste hätten sich „unablässig für Gerechtigkeit und Frieden eingesetzt. Beten wir dafür, dass der zukünftige Papst dieses Werk unermüdlich weltweit fortführen möge.“
Nur zwei Tage?
Wie lange das Ringen hinter verschlossenen Türen dauern wird, weiß niemand. „Die katholische Kirche wird bis Donnerstag einen neuen Papst haben“, hatte der Erzbischof von New York, Timothy Dolan, vor dem Beginn des Konklaves angekündigt. Am 19. März, dem Fest des heiligen Josef, könnte die Messe zur feierlichen Einführung des neuen Pontifex gefeiert werden, schrieb Dolan an die Priester seiner Erzdiözese. Auch die Buchmacher rechnen mit der Entscheidung für einen neuen Papst am Mittwoch oder Donnerstag. Denn auf das künftige spirituelle Oberhaupt von 1,2 Milliarden Katholiken werden ganz materialistische Wetten abgeschlossen. Weniger gewinnorientiert geht die Internetseite „adoptacardinal.org“ zu Werke. Sie bietet die Möglichkeit, einen der 115 Kardinäle quasi online zu adoptieren. Wer das tut, erhält im Zufallsmodus einen Purpurträger zugewiesen, um für ihn zu beten. „Damit wir sicherstellen, dass für alle gebetet wird.“ 513.576 Mal sind die 115 Papstwähler bis Dienstagabend um 20 Uhr schon adoptiert worden.
Die Kardinäle kehrten nach dem ersten Wahlgang in ihr Gästehaus Santa Marta zurück. Heute Morgen geht es dann mit einer Messe und dem anschließenden zweiten Wahlgang weiter. ##Thomas Matt##




Rund ums Konklave
Wie die Wetten stehen
Mit der Wahl des neuen Oberhirten der Katholiken verdienen Wettanbieter fast so viel wie mit Fußball und Formel 1. Die besten Chancen auf das Amt des Papstes hat nach Ansicht der Glücksspieler der italienische Kardinal Angelo Scola, so das britische Wettbüro William Hill und der irische Wettanbieter Paddy Power. Scola folgen Peter Turkson aus Ghana und Odilo Scherer aus Brasilien. Bei den Wetten auf den Namen des künftigen Papstes führen Leo, Peter und Gregor.
Protest in Pink
Eine Gruppe von Frauenrechtlerinnen entzündete auf einem Balkon gegenüber dem Petersdom rosafarbene Rauchbomben. Die Frauen kommen aus Australien, den USA und Europa und forderten in Kardinalsgewändern mehr Gleichberechtigung in der Kirche.
Strenges Reglement
Mauscheleien sind während des Konklaves verboten. In der Wahlordnung heißt es, die Kardinäle müssten sich „jeder Form von Verhandlungen, Verträgen, Versprechen oder sonstiger Verpflichtungen jeder Art enthalten, die sie binden können, einem oder einigen die Stimme zu geben oder zu verweigern“. Wer dies missachtet, dem droht die Exkommunikation.