Die „Agenda Martini“ hat sich erfüllt

Mit Franziskus I. gehe die „Agenda Martini“ in Erfüllung, freut sich Jesuitenpater Sporschill.
Wien. (VN-joh) „Ich hoffe, dass er uns Jesuiten eine Freude und keine Schande bereitet“, schmunzelte Pater Georg Sporschill gestern Abend im Gespräch mit den VN, um dann allerdings gleich klarzustellen, dass er „voller Freude“ über die Wahl von Jorge Mario Bergoglio, also dem ersten Jesuiten, zum Papst sei: „Ich würde sagen, dass die ,Agenda Martini‘ damit in Erfüllung geht. Ja, eigentlich ist der Wunsch von Martini sogar haargenau in Erfüllung gegangen.“
Einfacher Lebensstil
Der ehemalige Mailänder Kardinal Martini ist im vergangenen Sommer gestorben. Ebenfalls Jesuit, hatte er als Papstkandidat gegolten, aber auch als „Linker“. Vor seinem Tod hatte er mit Sporschill ein letztes Gespräch geführt, das eine italienische Tageszeitung und die Vorarlberger Nachrichten wenig später veröffentlichten. Die Kirche sollte sich demnach öffnen für die Sorgen und Nöte der Welt, allen Ballast abwerfen und auf die Menschen zugehen. Der Papst sollte eine Gruppe von Leuten um sich scharen, die aus dem Leben kommen und die unabhängig im Denken sind.
„So gesehen ist die Wahl von Bergoglio wie eine Vorsehung. Mit dem, was ich über ihn weiß, entspricht er Martinis Vorstellungen“, meint Sporschill. „In Argentinien ist er als Kardinal der Armen bekannt, weil er mit ihnen gelebt hat. Er soll sogar in einem Apartment gewohnt haben und mit der U-Bahn gefahren sein. Das bedeutet, dass er einem einfachen Lebensstil treu geblieben ist.“
Als Jesuit müsste der Papst ein freier Mensch sein, meint der Vorarlberger: Ignatius von Loyola habe im 16. Jahrhundert diesen „mutigen Orden“ gegründet. Loyola habe gelehrt, jedes Mitglied sei in einer so engen Beziehung zu Gott, dass man ihm vertrauen und es frei sein lassen könne: „Das zeichnet die Spiritualität der Jesuiten aus.“
Russ-Preis-Träger Sporschill sieht viele Merkmale, die ihn zuversichtlich stimmen: „Ich glaube, wir werden viele Überraschungen mit ihm erleben. Und das ist gut so.“ So werde sich Franziskus I. „nicht vereinnahmen lassen von den Parteien und den Seilschaften – zum Beispiel im Vatikan“.
Erfreulich sei außerdem, dass der neue Papst von einem anderen Kontinent komme: „Als Lateinamerikaner wird er eine andere Welt nach Europa bringen.“
Gewinn für die Weltkirche
Sporschill übersieht die möglichen Schattenseiten in der Biografie von Franziskus I. nicht. So ist sein Verhältnis zur argentinischen Militärjunta von 1976 bis 1983 umstritten; eine zu große Nähe zu den Generälen, denen Tausende Todesopfer angelastet werden, wird ihm vorgeworfen. „Es gibt Zwischentöne“, sagt Georg Sporschill dazu, „aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich da etwas zuschulden kommen lassen hat.“ Er vertraue vielmehr darauf, dass Franziskus I. „als Lateinamerikaner Freiheit, Menschennähe, Gerechtigkeitssinn und Gerechtigkeitskampf in die Weltkirche einbringen wird“.
Als Jesuit müsste Franziskus I. ein freier Mensch sein.
Georg Sporschill