Ein Franziskus täte dringend not
Nun steht der erste Südamerikaner in den Schuhen des Fischers, mit Jorge Mario Bergoglio tritt der erste Jesuit an die Spitze der katholischen Kirche, und er wählt als erster Papst den Namen des „Poverello“: Franziskus I. wird er heißen. Das sollte eigentlich an Neuigkeiten genügen für die ersten Minuten nach einem überraschend schnell zu Ende gegangenen Konklave.
Aber all die Superlative treten zurück, nachdem sich der Vorhang an der Loggia des Petersdoms endlich teilt und der neue Papst vor die Menschen tritt. Er lächelt. Erinnert im Augenblick ein wenig an Paul VI. Dann spricht er: „Guten Abend.“ Die Kardinäle hätten den Bischof von Rom ganz offenbar am anderen Ende der Welt gesucht. „Und da sind wir nun.“ Und dann beugt Franzis-
kus I., bevor er die Menschen segnet, selber sein Haupt und bittet um ihr Gebet und Gottes Segen. Das ganze römische Zeremoniell verblasst, als der neue Papst sich wenig später noch einmal umdreht und den Menschen zuruft: „Gute Nacht und erholt euch gut.“ Kein erster großer theologischer Wurf. Keine geschliffene Botschaft. Stattdessen einfache, freundliche Gesten: „Wir wollen uns nun aufmachen auf den gemeinsamen Weg.“
Das weckt fürs Erste Erinnerungen an den großen Konzilspapst Johannes XXIII. Und auch, was man in aller Eile in Erfahrung bringt, beeindruckt: In seiner Heimat nennen sie den Erzbischof von Buenos Aires „Kardinal der Armen“. Oft wurde er in der U-Bahn auf dem Weg in die Kathedrale an der Plaza de Mayo beobachtet. Auch jetzt in Rom huschte er in einem dunklen Mantel und ohne Kardinalshut an den Fernsehkameras vorbei. Aber so bescheiden er öffentlich auftritt, leise ist der Sohn italienischer Einwanderer nicht. In den letzten Jahren kollidierte Bergoglio mehrfach mit den Regierungen von Néstor und Cristina Kirchner. Er kritisierte Korruption und Armut, erfolglos wandte er sich gegen die Legalisierung der Homo-Ehe in Argentinien.
Und jetzt fragt sich die ganze Welt: Ist er der Richtige? Aber was sind die großen Herausforderungen der Menschheit? Das ökologische Desaster, Fragen der Wirtschaftsethik, die Schere zwischen Arm und Reich. Nun steht ein offenkundig bescheidener, ökologisch bewusster Seelsorger an der Spitze von 1,2 Milliarden Katholiken, der sein priesterliches Amt bislang vor allem den Entrechteten und Armen gewidmet hat. Er könnte noch für wesentlich mehr Überraschungen gut sein.
thomas.matt@vn.vol.at, 05572/501-724
Kommentar