Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Fast wie in China

Spezial / 12.06.2013 • 21:45 Uhr

Rechtsstaatlichkeit und Freiheit sind einmal Voraussetzungen für Wohlstand und wirtschaftlichen Erfolg gewesen. Dieses Grundgesetz gilt nur noch eingeschränkt. China kommt trotz Unterdrückung auf (teils) zweistellige Wachstumsraten. Auch die Türkei hat sich unter Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan blendend entwickelt. Unternehmen des Landes erobern die Welt. Und das, obwohl Erdogan gesellschaftspolitisch zugleich einen Rückwärtsgang eingelegt hat.

Es gibt jedoch einen entscheidenden Unterschied zwischen China und der Türkei: Erdogan will den Leuten etwas wegnehmen, woran sie sich gewöhnt haben. In Städten wie Istanbul hat sich eine moderne Gesellschaft entwickelt, die viele westeuropäische Metropolen alt ausschauen lässt und die locker mit New York, London oder Los Angeles mithält. Sie lässt es sich nicht gefallen, dass Erdogan ihre Lebensführung durch seine Islamisierung einschränken möchte.

Und das ausgerechnet in der Türkei: Nur in wenigen Ländern gibt es eine derartig radikale Trennung zwischen Religion und Staat. Das will Erdogan mit aller (Polizei-)Gewalt rückgängig machen? Es wird ihm nicht gelingen. Denn dazu müsste er zu viele seiner Bürger so grausam knebeln, dass er auch das Fundament seines bisherigen Erfolgs zerstören würde – nämlich die florierende Wirtschaft.

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