Nicht alle müssen erste Geige spielen

Ein Orchester braucht Vielfalt und verschiedene Charaktere, genauso wie ein Unternehmen.
bregenz. Christian Gansch ist quasi auf der großen Bühne zu Hause. Schließlich war er als Dirigent internationaler Spitzenorchester erfolgreich, bevor er in die Musikindustrie wechselte und mit Künstlern wie Lang Lang oder Anna Netrebko zusammenarbeitete. Seine Leidenschaft durften auch die Besucher des Wirtschaftsforums spüren, als Gansch über das Orchester als Erfolgsmodell für die Wirtschaft referierte. Wenn jemand wie er, der Erfahrungen aus der Musik- wie auch der Wirtschaftswelt mitbringt, über die Symbiose beider Bereiche spricht, tut er das nicht nur aus völliger Überzeugung, sondern auch mit einer angenehmen Portion Humor. Wieso er einer der gefragtesten Redner ist, hat er beim Wirtschaftsforum eindrücklich unter Beweis gestellt.
Handwerk, Präzision und Disziplin sind die drei Schlüsselbegriffe. Nicht nur für den Dirigenten, sondern auch für die Führungskräfte im Orchester. Schließlich gibt die erste Oboe den Einsatz für acht bis zehn Holzbläser. Somit muss der Dirigent nicht alle Nuancen selbst leisten und kann sich auf die verantwortlich handelnden Personen verlassen. Das Orchester an sich, „100 exzentrische Diven aus teilweise 27 Nationen“, hat aber ein gemeinsames Ziel. Das geht nicht ohne ständige Diskussion und Abstimmung. „Man muss interne Konflikte so ausbalancieren, dass das Publikum nichts davon mitbekommt“, erklärt Gansch. Dirigieren heißt auch Zuhören und weniger Befehl als Überzeugungsarbeit. „Wenn man nicht nach dem Warum fragt, gibt es auch keine Selbstmotivation“, ist Gansch überzeugt.
Dem Dirigenten kommt dabei die Aufgabe zu, das Wechselspiel der Kompetenzen zu organisieren. Dabei kommt es auf alle an. Die viel zitierte Triangel ist genauso wichtig wie die erste Geige. Denn „auch eine kleine Performance kann eine große zerstören“. So und so wäre es auch furchtbar, wenn jeder die erste Trompete spielen wolle. „Es braucht Vielfalt und unterschiedliche Charaktere“, so Gansch. Und letztlich muss es gelingen, Homogenität zu schaffen, schließlich zahlt das Publikum für eine stimmige Performance. Dabei ist ein Orchester aber keinesfalls nur ein Haufen Individualisten. „Alles, was exzellent sein soll, ist strukturiert und braucht Prozesse genauso wie Wissen und Bildung“, so Gansch. Oder anders ausgedrückt: Emotionalität braucht Struktur.
Mit Kritik offen umgehen
Dabei, und wenn man das auf ein Unternehmen ummünzt, macht es keinen Unterschied, ob das ein kleiner Betrieb oder ein Weltkonzern ist. Das hängt stark von den handelnden Personen ab, ob sie die Wahrnehmungskompetenz des Einzelnen auch fördern. Wichtig ist, die Mitarbeiter mitzunehmen. „Nur weil man etwas schon tausend Mal gemacht hat, heißt das nicht, dass das Team es auch versteht“, betont Gansch. Dabei ist es wichtig, auch mit Kritik umgehen zu können. Wenn man aus dem Fenster blickt, müsse man auch akzeptieren, dass der Wind pfeift. Kommunikation ist das Um und Auf. Viele spielen aber Spielchen. „Etwa wenn man sagt, die Türe steht Ihnen immer offen, es aber nur ein Spruch ohne Konsequenzen ist“, gibt Gansch ein Beispiel. Viele haben gute Verhaltensweisen aufgrund von schlauen Büchern, letztlich ist es aber oft seelenlos und reine Verhaltensakrobatik.
Alles, was exzellent sein soll, ist strukturiert und braucht Prozesse genauso wie Wissen und Bildung.
Christian GAnsch
Zur Person
Christian Gansch
Dirigent, Musikmanager, Referent
Geboren: 1960 in Österreich
Laufbahn: Dirigent internationaler Spitzenorchester, vierzehn Jahre lang in der Musikindustrie als Produzent
Auszeichnung: vier Grammy Awards