Germanwings-Tragödie gibt weiter Rätsel auf

Sprachrekorder bringt keine Klarheit. Blackbox mit Flugdaten bleibt verschollen.
Seyne-les-Alpes. Die Ermittlungen zur Ursache des Germanwings-Absturzes in Frankreich stoßen auf unerwartete Probleme. Im Trümmerfeld der Unglücksstelle in den Alpen fanden Bergungskräfte zwar den Sprachrekorder und den Behälter des Flugdatenschreibers. Die eigentliche Blackbox mit gespeicherten Flugdaten blieb zunächst aber verschollen, wie der französische Präsident François Hollande am Mittwoch in Seyne-les-Alpes sagte. Zudem dauerte die Auswertung der Geräusche aus dem Cockpit des Airbus A320 länger als erwartet.
Klar war zunächst nur, dass die Germanwings-Maschine nicht in der Luft explodierte. „Das Flugzeug ist bis zum Schluss geflogen“, es habe also keine Explosion gegeben, teilte der Direktor der französischen Untersuchungsbehörde BEA, Rémi Jouty, in Paris mit. Die BEA habe zwar auswertbare Daten aus dem ersten Flugschreiber sichergestellt, könne aber keine Erklärung für den Absturz geben. „Wir haben auch nicht die geringste Erklärung dafür, warum dieses Flugzeug auf die Kontaktversuche der Luftraumkontrolle, wie es scheint, nicht geantwortet hat“, sagte Jouty.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr hatte nach dem Fund des Sprachrekorders am Dienstag noch eine schnelle Aufklärung der Absturzursache erwartet. „Ich gehe davon aus, dass wir sicherlich relativ schnell erste Informationen bekommen werden, was die Absturzursache wahrscheinlich war“, hatte Spohr über den Verlust des Airbus der Tochtergesellschaft gesagt.
72 Deutsche unter den Toten
Bundeskanzlerin Angela Merkel besichtigte mit Hollande und dem spanischen Regierungschef Mariano Rajoy aus der Luft den Absturzort in einem schwer zugänglichen Tal. Beim Aufprall der Maschine waren alle 150 Menschen an Bord am Dienstag ums Leben gekommen. Die meisten Opfer stammen aus Deutschland und Spanien.
Nach Angaben von Germanwings-Chef Thomas Winkelmann waren 72 Bundesbürger an Bord der Unglücksmaschine. Zunächst hatte die Fluglinie von 67 Deutschen gesprochen, aber betont, dass sich die Zahl noch ändern könne. Aus Spanien stammten nach Angaben aus Regierungskreisen in Madrid 51 Opfer. Die Maschine war auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf, als sie minutenlang an Flughöhe verlor und schließlich an dem Bergmassiv zerschellte.
Merkel dankte den Einsatzkräften für deren Arbeit: „Das ist ein Zeichen unglaublicher Freundschaft und Hilfe. Wir sind sehr dankbar“, sagte sie. Bergungsteams seilten sich am Mittwoch von Hubschraubern in das unwegsame Gelände ab. Zugleich setzten rund 50 Spezialkräfte, die in dem Bergmassiv in Biwaks übernachtet hatten, ihren Aufstieg zum Absturzort fort.
Innenminister Thomas de Maizière betonte in Berlin, es gebe keine belastbaren Hinweise dafür, dass Dritte den Absturz herbeigeführt hätten. Sein französischer Amtskollege Bernard Cazeneuve erklärte, es seien weiter alle Hypothesen auf dem Tisch.
Die Staatsanwaltschaft von Marseille nahm Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung auf. Die Flugüberwachung habe kurz vor dem Unglück vergeblich versucht, Kontakt zu dem Airbus herzustellen, sagte Staatsanwalt Brice Robin. Das Bundeskriminalamt bereitet sich darauf vor, bei der Identifizierung der Opfer mitzuhelfen.
Schwierige Bergung
Gestern am späten Nachmittag haben Rettungskräfte die ersten Absturzopfer geborgen. Für die Angehörigen wurde in Seyne-les-Alpes ein Ort der Stille eingerichtet, Dolmetscher waren vor Ort. Die Lufthansa will an diesem Donnerstag weitere Hinterbliebene mit Sonderflügen nach Südfrankreich bringen.Neben den deutschen waren auch Passagiere aus Spanien, Australien, Argentinien, Iran, Venezuela, den USA, Großbritannien, den Niederlanden, Kolumbien, Mexiko, Japan, Dänemark, Belgien und Israel an Bord.
Konkurrenz half mit
Germanwings strich am Dienstagabend zahlreiche Flüge. Etliche Besatzungen waren nicht zum Dienst gekommen. Auch am Mittwoch erklärten sich mehrere Crews für nicht einsatzbereit. Grund sei „der Schockzustand sowohl beim Kabinen- wie beim Cockpitpersonal“, sagte ein Sprecher. Am Mittwoch sagte die Fluglinie nur einen einzigen Flug ab, ihren Flugbetrieb stemmte sie mit Hilfe der Konkurrenz.
Der zweite Flugschreiber ist noch nicht gefunden. Nur der Behälter, nicht die Blackbox selbst.
François Hollande


