Todes-Flug gibt weiter Rätsel auf

Suche nach zweitem Flugschreiber läuft – nur allmählich ergibt sich ein Bild.
Düsseldorf. Sechs Tage nach dem Absturz des Germanwings-Flugzeugs in Frankreich rätseln Hinterbliebene und Öffentlichkeit weiter über die Hintergründe. Die Ermittler machen den Copiloten Andreas L. (27) für die Katastrophe mit 150 Toten verantwortlich. Fragen zum Motiv und der akuten Erkrankung bleiben bisher unbeantwortet.
Erkenntnisse. Nach bisherigen Ermittlungen soll der Copilot den Airbus A320 am Dienstag auf dem Flug von Barcelona nach Düsseldorf mutwillig in einen Sinkflug versetzt haben, als der Kapitän das Cockpit kurz verließ. Die „Bild am Sonntag“ hat gestern neue Details zu den aufgezeichneten Gesprächen im Cockpit veröffentlicht. Demnach erzählte der Pilot, dass er es am Flughafen nicht zur Toilette geschafft habe. Andreas L. habe ihm angeboten, er könne jederzeit übernehmen, was einige Minuten später auch geschah. Als sich die Maschine dann im Sinkflug befand, ertönte laut „Bild am Sonntag“ ein automatisches Alarmsignal. Der ausgesperrte Pilot habe dann versucht, die Tür zum Cockpit mit Gewalt zu öffen. „Mach die verdammte Tür auf“, zitiert die Zeitung. Minuten später zerschellte die Maschine an einem Bergmassiv nordöstlich von Marseille. Genauere Erkenntnisse erhoffen sich die Experten vor allem vom zweiten Flugschreiber, der immer noch am Absturzort gesucht wird.
Opfer. In dem schwer zugänglichen Gebiet sichern Bergungskräfte die sterblichen Überreste der 150 Opfer des Absturzes. Mediziner arbeiten an der Identifizierung derer, die schon ins Tal gebracht wurden. Ermittler haben inzwischen die DNA von 78 Menschen gesichert. Bis zum 8. April müssen die Arbeiten abgeschlossen sein. Danach sind die Leichenteile zu stark verwest, um die DNA zuverlässig abzugleichen.
Erkrankung. Copilot Andreas L. verheimlichte nach Erkenntnissen der Ermittler vor seinem Arbeitgeber Germanwings eine Erkrankung. Die Fahnder, die in der Wohnung des 27-Jährigen dessen Krankschreibungen fanden, hatten nach Hinweisen auf ein psychisches Leiden gesucht. Laut „Welt am Sonntag“ gibt es eindeutige Erkenntnisse für eine schwere „psychosomatische Erkrankung“. „Der 27-Jährige ist von mehreren Neurologen und Psychiatern behandelt worden“, zitiert die Zeitung einen hochrangigen Fahnder. Zudem seien bei der Hausdurchsuchung eine Vielzahl von Medikamenten zur Behandlung von psychischen Erkrankungen sichergestellt worden.
Konsequenzen. Deutschlands Verkehrsminister Alexander Dobrindt will mit Fluggesellschaften und Aufsichtsbehörden über mögliche Konsequenzen aus dem Germanwings-Absturz beraten. „In der Luftfahrt gelten hohe Sicherheitsstandards, die aber auch immer wieder einer Weiterentwicklung bedürfen“, so Dobrindt gestern.
Ortskenntnis. Die Eltern des Germanwings-Copiloten kamen zwischen 1996 und 2003 mit ihrem Segelflugclub aus Montabaur zum Fliegen in die französischen Alpen, wie Francis Kefer vom Flugfeld in Sisteron dem französischen Sender iTele sagte. Die Eltern seien mit ihrem Sohn gekommen, der damals Heranwachsender war. Sisteron liegt gut 40 Kilometer westlich der Absturzstelle. Er selbst habe die Familie dort nie getroffen, doch deren Aufenthalte seien im Club allgemein bekannt, sagte Kefer der Deutschen Presseagentur (dpa).
Trauer. Am 17. April soll im Kölner Dom mit einem Gottesdienst und einem staatlichen Trauerakt der Opfer gedacht werden. Erwartet werden dazu neben Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch Vertreter aus Frankreich, Spanien und anderen Ländern, aus denen die Opfer der Flugkatastrophe stammten. Im westfälischen Haltern, wo um 16 Schüler und zwei Lehrerinnen getrauert wird, soll es am Mittwoch (1. April) einen öffentlichen Gottesdienst geben. Auch am Samstag versammelten sich Menschen in Kirchen in Deutschland und Frankreich, um der Toten zu gedenken.
Soforthilfe. Eine Lufthansa-Sprecherin bestätigte einen Bericht des „Tagesspiegel“, wonach der Luftfahrt-Konzern den Angehörigen der Opfer eine Soforthilfe zahlen will. „Lufthansa zahlt bis zu 50.000 Euro pro Passagier zur Deckung unmittelbarer Ausgaben“, zitierte die Zeitung einen Germanwings-Sprecher. In großen Tageszeitungen bekundeten die Lufthansa und ihre Tochter Germanwings den Hinterbliebenen der Absturzopfer ihre Anteilnahme mit ganzseitigen Anzeigen.