Oppenheimer: „Jetzt bin ich zum Tod geworden, zum Zerstörer der Welten“

Deutscher entdeckt Kernspaltung, Wienerin macht sie bekannt, Amerikaner baut die erste Atombombe.
schwarzach. (VN-fei) Julius Robert Oppenheimer ist fasziniert und erschüttert zugleich, als der grelle Blitz den Himmel über den Jimenez Mountains in New Mexico erhellt, der heraneilende Donner immer lauter wird und eine pilzförmige Wolke sich ihren Weg in den Äther bahnt. Neun Kilometer vom Ground Zero entfernt liegt Oppenheimer, einer der brillantesten Physiker seiner Zeit, flach auf dem Boden eines Bunkers und blickt fassungslos auf das, was er geschaffen hat.
In seinem Erstaunen über die vernichtende Kraft, die er freigesetzt hatte, schießt ihm ein Zitat aus der „Bhagavad Gita“, einer heiligen Schrift des Hinduismus, durch seinen genialen Kopf: „Jetzt bin ich zum Tod geworden, zum Zerstörer der Welten.“ Es ist halb sechs Uhr morgens am 16. Juli 1945. „The Gadget“, so der Name des Plutoniumsprengsatzes, war soeben auf dem Testgelände „White Sands Missile Range“ des Forschungszentrums in Los Alamos hochgegangen. Der „Trinity“-Test war absolviert. Die USA hatten den weltweiten Wettlauf um die erste Atombombe gewonnen.
Es begann alles im Jahr 1938
Seinen Anfang nahm dieser tödliche Wettlauf in Deutschland. Otto Hahn schießt im Dezember 1938 Neutronen auf Uran – und entdeckt Barium. Den Chemiker beschleicht der Verdacht, dass Atome doch nicht unteilbar sind. Hahns Entdeckung wird aber erst von seiner Wiener Forscherkollegin Liese Meitner, die ob ihrer jüdischen Abstammung vor den Nationalsozialisten geflohen war, bestätigt: Im Februar 1939 veröffentlicht sie weltweit die erste physikalisch-theoretische Erklärung der Kernspaltung. In den folgenden Monaten überschlagen sich die internationalen Fachmagazine mit Artikeln über angeblich riesige Energiemengen, die bei der Kernspaltung frei würden, schnell taucht die Idee einer Superwaffe auf.
Es sind insbesondere aus dem Nazi-Reich emigrierte Forscher wie Edward Teller, der spätere Vater der Wasserstoffbombe, die vor einer vernichtenden Waffe in Adolf Hitlers Händen warnen. Und sie können mit ihren düsteren Vorahnungen sogar den damals schon zur Legende erwachsenen Albert Einstein beunruhigen – dessen Unterschrift auf einem Brief an den US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt ist dann auch mit ausschlaggebend dafür, dass die USA unter dem Decknamen „Manhattan Project“ ihr Atomprogramm im abgeschiedenen Los Alamo starten. 100.000 Menschen sind eingebunden, ausgestattet mit – nach heutigem Wert – etwa 25 Milliarden Euro. Wissenschaftlicher Leiter ist Robert Oppenheimer, der die besten verfügbaren Forscher um sich schart. Darunter Enrico Fermi und eben Edward Teller. Das „Manhatten Projekt“ beginnt am 7. Dezember 1941 – zufällig einen Tag nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor, der den Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg markiert.
Werner Heisenberg prahlt
Einsteins Brief ist aber nicht der alleinige Grund für das Projekt. Deutschlands Propaganda verheißt das Unsägliche schon in naher Zukunft. Renommierte Wissenschafter um den Physiker Werner Heisenberg, Kopf der deutschen Atomforschung, Otto Hahn und Carl Friedrich von Weizsäcker tüfteln im „Uranprojekt“ schon seit Jahren an einer Bombe. Und Ende des Jahres 1941 prahlt der weltweit angesehene Heisenberg schließlich, eine deutsche Atombombe sei in drei Jahren möglich. Dass Hitler nahezu zeitgleich, am 11. Dezember 1941, den USA den Krieg erklärt, beflügelt Washingtons Rüstungsanstrengungen.
Und dann sind da noch die Japaner, die es ebenfalls Ende 1941 gewagt hatten, die USA anzugreifen. Niemand geringerer als der Physiker Yoshio Nishina, der neben Japan auch in Europa studiert hatte und eng mit bedeutenden Wissenschaftern wie beispielsweise Niels Bohr und Oskar Klein zusammenarbeitete, forscht mit seinem Team an der Bombe. Der Wettlauf der drei sich gegenseitig befeindenden Mächte um die kriegsentscheidende Atombombe geht in die Zielgerade.
Doch die Amerikaner haben nicht nur die besseren Forscher und mehr Geld. 1944 zerstören sie das Hauptlabor, 1945 das Kernkraftwerk in Tokyo – Japan hat zu wenig spaltbares Material für die Bombe. Deutschland wird am 8. Mai 1945 von den Alliierten zur Kapitulation gezwungen, zuvor zerstören US-Einheiten den Atomreaktor, heben das Labor in Haigerloch, versteckt im Felsenkeller des Hohenzollern-Schlosses, aus und nehmen Heisenberg und Kollegen fest.
Tests am „lebenden Objekt“
Wenig später dann der erfolgreiche „Trinity“-Test in Los Alamos. Weitere sollten über Japan erfolgen. 155 Wissenschafter des „Manhatten Projects“ ersuchen US-Präsident Roosevelt, davon Abstand zu nehmen. Doch Washington will ihre Wunderwaffe auch am „lebenden Objekt“ testen. Am 6. August 1945 explodiert „Little Boy“ über Hiroshima, am 9. August detoniert „Fat Man“ über Nagasaki. An die 170.000 Menschen sterben sofort, Zehntausende in den kommenden Monaten. Japan kapituliert am 2. September. Der Weltkrieg ist beendet.
Einstein bereut sein Leben lang den Brief an US-Präsident Roosevelt. Und Oppenheimer wandelt sich zum Atomgegner, verliert alle Ämter, wird zum Staatsfeind und erst vier Jahre vor seinem Tod 1967 rehabilitiert.


