Fünf Jahre nach dem Super-Gau

Spezial / 10.03.2016 • 18:33 Uhr
Am 15. März 2011, vier Tage nach dem Erdbeben und dem Tsunami, brach im Block 4 des AKW Fukushima ein Feuer aus. Foto: reuters
Am 15. März 2011, vier Tage nach dem Erdbeben und dem Tsunami, brach im Block 4 des AKW Fukushima ein Feuer aus. Foto: reuters

Reaktoren des AKW Fukushima müssen weiter gekühlt werden. Wohin mit den verstrahlten Elementen?

fukushima. (VN/hrj, ap) Zerborstene Betonplatten, grotesk verbogene Stahlstreben, dazwischen ein Kran, der Trümmer aus dem Bereich abgebrannter Brennstäbe beseitigt. Der Anblick des Reaktorgebäudes 3 im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi lässt das Chaos erahnen, das sich hier vor genau fünf Jahren abgespielt hat, als am 11. März 2011 ein Erdbeben der Stärke 9 und ein folgender gewaltiger Tsunami das AKW verwüsteten und es hier zu einer dreifachen Kernschmelze kam – dem schlimmsten atomaren Desaster seit der Katastrophe in Tschernobyl am 26. April 1986.

„In den vergangenen fünf Jahren ist die Radioaktivität deutlich gesunken, und wir können sagen, dass die Lage jetzt stabil ist“, versichert der Leiter des zerstörten Kernkraftwerks, Akira Ono. Rund 1200 Angestellte des Betreibers Tepco (Tokyo Electric Power Co) sowie zusätzlich 7000 Arbeitskräfte von angeheuerten Vertragsunternehmen sind auch fünf Jahre nach dem Super-Gau tagtäglich in der Atomruine im Einsatz. Die völlige Stilllegung des Kernkraftwerks wird noch mindestens 30 bis 40 Jahre dauern. Ono zufolge seien bislang rund zehn Prozent geschafft.

Verstrahltes Wasser

Doch eine große Frage bleibt: Was soll mit all dem radioaktiven Material geschehen? Täglich dringen Hunderte Tonnen Grundwasser in die Reaktorgebäude und vermischen sich dort mit dem verstrahlten Wasser zur Kühlung der geschmolzenen Brennstäbe. Wo die liegen, weiß übrigens auch heute, nach fünf Jahren, niemand genau. Auch nicht, was eines Tages mit ihnen passieren soll. Große Teile des AKW-Geländes sind mit rund 1000 riesigen Tanks übersät, in denen das Wasser nach Durchlaufen eines Filters gelagert wird. Inzwischen sind das schon 760.000 Tonnen. Und es werden immer mehr.

Der AKW-Betreiber sei bei der Bewältigung der Folgen zwar vorangekommen, eine endgültige Lösung steht jedoch noch aus. Und bis es so weit ist, werden wohl noch ein paar Jahre vergehen. Tepco legt indes Optimismus an den Tag: Das Problem werde bis 2020 gelöst, heißt es. Man rechnet damit, in den kommenden vier Jahren das kontaminierte Wasser, das sich um die Reaktoren angesammelt hat, aufnehmen und aufbereiten zu können. Dann müsste nur noch das Wasser weiterhin aufbereitet werden, das zur Kühlung der Reaktoren benötigt wird.

Den Experten ist es bisher gelungen, die Menge des durch Risse und andere Schäden austretenden Wassers zu reduzieren. Nun hoffen sie, von den Aufsichtsbehörden die Erlaubnis für den Bau eines unterirdischen Schutzwalls aus Eis zu bekommen, der verhindern soll, dass kontaminiertes Wasser in den Pazifik fließt.

Deutlich umstrittener ist da der nächste Schritt: Tepco hat bei der Regierung um die Genehmigung angesucht, das aufbereitete Wasser ins Meer ableiten zu dürfen. Fischer und andere Bewohner der Region haben dagegen bereits Widerstand angekündigt. Und Umweltschützer aus aller Welt befürchten verheerende Folgen.

Verstrahlte Erde

Und dann wäre da noch die verstrahlte Erde, die in der Umgebung des havarierten Kernkraftwerks großflächig abgetragen und in große schwarze Plastiksäcke gepackt wurde. Ganze Landschaften sind mit diesen Plastiksäcken übersät, obwohl ihre Haltbarkeit nur drei Jahre beträgt. Einige sollen schon gerissen sein. Doch gegen die Einrichtung eines Zwischen- oder gar Endlagers für den kontaminierten Müll gibt es massiven Widerstand.

Trotz der Gefahr der Strahlung erlaubt Japans Regierung den ehemaligen Bewohnern des nahe der Atomruine gelegenen Ortes Naraha, zurückzukehren. Doch nur wenige folgen dem Aufruf. Aus Angst vor der Strahlung, aber auch, weil viele von ihnen inzwischen weit weg von Fukushima ein neues Leben begonnen haben.

Die Probleme in Folge der Havarie im AKW Fukushima vor fünf Jahren werden jedenfalls noch lange, sehr lange nicht gelöst sein.

Katastrophe in Zahlen

» Bis zu 30 Meter hoch war der Tsunami, der mehr als 260 Küstenstädte verwüstete.

» Fast 19.000 Menschen kamen durch die Flutwelle ums Leben oder werden bis heute vermisst.

» Mehr als eine Million Häuser wurde zerstört oder beschädigt.

» Mehr als 200 Milliarden US-Dollar betrugen schätzungsweise die originären Schäden.

» Mehr als 100.000 Menschen mussten nach der Reaktorkatastrophe wegen der Strahlenbelastung in der Region ihre Häuser verlassen.

» 30 bis 40 Jahre kann es nach Angaben des Fukushima-Betreibers Tepco dauern, bis das Kraftwerk endgültig gesichert ist.

» 7000 Arbeiter sind täglich in der Atomruine von Fukushima im Einsatz.

» 750.000 Tonnen radioaktiv belastetes Wasser sind in Tanks auf dem Gelände zwischengelagert.