“Ich hatte noch nie zuvor so panische Angst”

Vorarlberger am Tag des Terrors in Brüssel. Erwin Döringer rannte in der Metro um sein Leben.
Brüssel. Schon in den Wochen zuvor hatte der Feldkircher Erwin Döringer (49) auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz in der EU-Kommission, Abteilung Entwicklungszusammenarbeit, „Bauchweh“. Er benützt die Metro. Nach der Ankunft im Büro musste er stets seine Frau anrufen. „Die hatte durch die vorherrschende Bedrohung schon seit Längerem Albträume.“
Am gestrigen Dienstag um 9 Uhr wurden diese Albträume Wirklichkeit. „Ich stieg gerade aus, 200 Meter entfernt von der Station Maelbeek, die auf der anderen Seite liegt. „Plötzlich sehe ich dort hektische Bewegungen. Sicherheitsbeamte schreien ‚Evakuierung, Evakuierung!‘. Alles rennt. Wie verrückt stürme ich nach oben zum Ausgang und hetze in das nächste EU-Gebäude um die Ecke. Ich hatte noch nie zuvor in meinem Leben so panische Angst.“
Ein Security erzählte ihm vom Anschlag am Flughafen. „Wir wussten zu dem Zeitpunkt beide nicht, was in der Metro passiert war. Wir glaubten, diese Panik stünde im Zusammenhang mit den Ereignissen am Flughafen.“ Erst kurz darauf erfuhr Döringer vom Blutbad in der U-Bahn, dem er nur knapp entronnen war.
Als ihn die VN am späteren Nachmittag telefonisch erreichten, befand sich Döringer noch in seinem Büro. „Ich habe mir sogar überlegt, hier zu übernachten. Auch wollte ich nach dem Erlebten nur noch weg von Brüssel und nie mehr wiederkommen. Jetzt, ein paar Stunden später, denke ich schon wieder etwas anders. Aber das alles ist schon schlimm. Ich werde mir jetzt ein kleines Auto kaufen und künftig mit dem zur Arbeit fahren. Auch wenn ich dann im Stau stecke. Aber in die Metro will ich nicht mehr.“
Erwin Döringer lebt und arbeitet seit 1990 in Brüssel. Und auch wenn er nun wohl in der belgischen Hauptstadt bleiben wird, ist für ihn, der mit einer Wienerin verheiratet ist, klar: „Irgendwann werde ich wieder nach Österreich zurückkehren.“
Schon in London dabei
Gar nicht in ihr Büro schaffte es Anna Meusburger (31), Pressemitarbeiterin in der österreichischen Vertretung der EU. „Ich bekam auf dem Weg ins Büro schon mit, wie Zufahrten gesperrt wurden. Dann kam auch noch die Aufforderung via Medien, dass die Menschen, wenn möglich zu Hause bleiben sollen.“ Das machte die Feldkircherin auch. „Wenn ich jetzt nach draußen schaue, sehe ich kaum Leute auf der Straße. Es ist dies eine beliebte Einkaufsstraße, wo es gewöhnlich nur so vor Menschen wimmelt“, berichtete Meusburger den VN. Von ihrer Wohnung aus kontaktierte sie österreichische Journalisten und andere Landsleute, um sicherzustellen, dass auch ja alle wohlauf sind. „Für die gibt es Gott sei Dank alle Entwarnung.“
Anna Meusburger ist nicht zum ersten Mal dort, wo sich Terror abspielt. Sie war auch schon zufällig 2004 in London. „Damals befand ich mich in unmittelbarer Nähe des Anschlagsortes in der U-Bahn. Und jetzt bin ich hier. Das ist schon unheimlich. Nicht umsonst will meine Mutter, dass ich nach Hause komme.“
Aber das wird Meusburger nicht. „Ich habe hier alle meine sozialen Kontakte, meine Bekannten, meinen Freund. Natürlich wird das Leben hier in nächster Zeit ein anderes. Die Menschen werden unter diesen schrecklichen Ereignissen leiden.“
Brüssel habe sich schon vor den jetzigen Anschlägen zu einer Stadt der Angst gewandelt. „Überall Militär, überall Polizei. Für jemanden, der das nicht kennt, sind dies schon gewöhnungsbedürftige Zustände.“
Fassungslos
Botschaftsrätin Mirjam Dondi (45) aus Vorarlberg leitet den Besuchs- und Informationsdienst der ständigen Vertretung Österreichs in Brüssel. Vom Anschlag auf den Flughafen erfuhr sie noch zu Hause, bevor sie zur Arbeit fuhr: „Das war schon wie ein Schlag in die Magengrube“, erzählt sie. Die U-Bahn-Station Maalbeek ist nur 100 Meter von ihrer Wohnung entfernt.
Als sie mit dem Rad zur Arbeit fuhr, sah sie schon von Weitem eine Menschentraube vor der Station stehen. Im Büro habe sie dann von einem Kollegen erfahren, der den Anschlag beim Flughafen mitbekommen hatte: „Er ist mit einem verletzten Passanten in die Innenstadt ins Krankenhaus gefahren. Das lässt auch den coolsten Menschen nicht kalt“, schildert Dondi. Sie ist auch noch fassungslos, als sie am späten Nachmittag mit den VN spricht: „Es hätte jeden treffen können. Meine Kollegen sind um diese Uhrzeit oft in dieser U-Bahn. Ich wohne in der Nähe, wenn meine Tochter den Bus versäumt, geht sie in der Früh in diese Station. Das macht mich schon sehr betroffen.“


