Zwei Staaten im Ausnahmezustand

Spezial / 22.03.2016 • 22:41 Uhr
Der mutmaßliche Terrorist Salah Abdeslam (kleines Bild) wurde am vergangenen Freitag in Molenbeek festgenommen.
Der mutmaßliche Terrorist Salah Abdeslam (kleines Bild) wurde am vergangenen Freitag in Molenbeek festgenommen.

Terrorexperte sieht Zusammenhang zwischen Festnahme von Paris-Attentäter und Anschlägen in Brüssel.

brüssel, paris. Belgiens Hauptstadt war nur vier Monate nach den islamistischen Anschlägen von Paris Ziel von Terrorattacken.

Am 13. November 2015 töteten Kommandos der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bei einer Serie koordinierter Anschläge in Paris 130 Menschen. Sie richteten ein Massaker im Musikclub Bataclan an, beschossen Bars und Restaurants. Während des Fußball-Länderspiels Frankreich-Deutschland sprengten sich am Stade de France drei Attentäter in die Luft.

Seitdem herrscht ein Ausnahmezustand in Frankreich, der bereits zweimal verlängert wurde. So gehören schwer bewaffnete Militärpatrouillen noch immer zum Alltagsbild in den Straßen von Paris. Öffentliche Gebäude sind ohne Kontrolle genauso wenig zugänglich wie Theatervorstellungen oder Konzertabende. Und noch immer werden beim Weg in den Supermarkt Taschen von privaten Sicherheitsleuten geprüft.

Planung in Belgien

Die Anschläge in Paris wurden offenbar von Brüssel aus geplant. Seitdem ist Molenbeek, ein Stadtteil der belgischen Hauptstadt, für die Franzosen zum Synonym für die Jagd auf die Attentäter von Paris geworden. Die Fahndung hat vor allem ein Gesicht: Salah Abdeslam.

Am Freitag, wenige Tage vor den Anschlägen in Brüssel, wurde Salah Abdeslam im Rahmen eines Großeinsatzes der Polizei in Molenbeek festgenommen. Man hatte seine DNA auf Sprengstoff gefunden, der beim Paris-Attentat verwendet wurde. Seine Auslieferung von Belgien an Frankreich lehnt Abdeslam nach Aussagen seines Anwalts ab.

Seit Abdeslams Festnahme suchte die belgische Polizei noch die mutmaßlichen Komplizen, Najim Laachraoui und Mohamed Abrini, die ebenfalls an der Vorbereitung der Pariser Terroranschläge beteiligt gewesen sein sollen. Bei Spekulationen über mögliche Täter und Drahtzieher der Anschläge in Brüssel taucht immer wieder Laachraouis Name auf. Der 24-Jährige war erst vor Kurzem identifiziert und zur Fahndung ausgeschrieben worden. Seine DNA war in einem Haus und einer Wohnung in Belgien gefunden worden, die von der Terrorgruppe genutzt wurden.

Der deutsche, als Terrorexperte geltende Journalist Rolf Tophoven sieht die Anschläge in Brüssel als direkte Reaktion auf die Festnahme Salah Abdeslams. Er gehe davon aus, dass das Umfeld Abdeslams zeigen wolle, dass es weiter handlungsfähig und nicht operativ geschwächt sei, sagte Tophoven am Dienstag. Es handle sich um einen perfekt koordinierten und professionell durchgeführten Anschlag. Das Muster mit mehreren parallelen Zugriffsorten erinnere an die jüngsten Attacken in Paris, zu denen sich die Terrormiliz Islamischer Staat  bekannt hatte.

Terrorschiene Paris-Brüssel

Tophoven zufolge gebe es offenbar eine Terrorschiene zwischen Paris und Brüssel. Brüssel sei ein Unterschlupf für die Vorbereitung der Pariser Attacken gewesen, und die belgischen Sicherheitsbehörden hätten diesen Hotspot der Islamistenszene lange vernachlässigt.