Deshalb ist 2021 für Karl Stoss eine vernünftige Wahl

Sport / 24.03.2020 • 05:30 Uhr
Deshalb ist 2021 für Karl Stoss eine vernünftige Wahl
Alles tun für die Sportler, das ist das Credo von Karl Stoss. GEPA

Der Präsident von Österreichs Olympischem Komitee äußert sich in einem ausführlichen Interview über mögliche Szenarien und gibt Einblicke in die Entscheidungsfindung.

Schwarzach Australien und Kanada werden ihre Sportler nicht entsenden, der Internationale LA-Verband und Österreichs Schwimmverband fordern die Verschiebung der Olympischen Sommerspiele. Für ÖOC-Präsident Karl Stoss (63) ist das ebenfalls eine Option.

Herr Präsident, warum die Standhaftigkeit in Zeiten der Coronakrise?

Die Ereignisse überschlagen sich in Europa, selbst Experten tun sich schwer damit, die Entwicklung der nächsten Wochen vorauszusagen. Es ist derzeit sicher nicht vorrangig, ob Sportveranstaltungen abgehalten werden können oder nicht. Aktuell steht für die ganze Welt die Eindämmung der Ausbreitung und die Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung im Vordergrund. Es geht um Selbstdisziplin und Rücksichtnahme. Das gilt auch für SportlerInnen, TrainerInnen usw. Das IOC, die WHO, Tokio 2020 und die japanische Regierung wollen keine Entscheidungen aufgrund von Spekulationen treffen. Umso mehr, weil es sich um eine sehr komplexe Situation handelt, mit sehr vielen Beteiligten. Sicher ist, die Spiele werden nicht abgesagt. Über alle anderen Szenarien wird nachgedacht.

Was bewog Sie, weiter den Zeitrahmen für eine Verschiebung auszuschöpfen?

Die IOC-Taskforce wird die definitive Entscheidung innerhalb von vier Wochen treffen. Es geht um 11.300 Athleten aus 206 Nationen, 10.000 Coaches, 15.000 Medienvertreter, 110.000 Volunteers, mehrere Millionen Fans. Zigtausende Flüge und Millionen von Hotelzimmern sind für Tokio in diesem Sommer gebucht, die Wohnungen im Olympischen Dorf sind allesamt an Nachnutzer verkauft. Dazu kommt die derzeitige Ausnahmesituation. Wer kann sagen, was im Juni oder Juli sein wird?

Die Fußballer hoffen auf eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs im Mai oder Juni, das gilt auch für die ATP- und WTA-Tour, die bis Anfang Juni ausgesetzt ist. Die Diamond-League der Leichtathleten wird frühestens Ende Mai starten.

Es macht durchaus Sinn, alle erdenklichen Szenarien durchzuspielen, anstatt die Sommersaison vorschnell abzublasen. Damit ist niemandem geholfen.

Geht es möglicherweise aus versicherungstechnischen Gründen auch darum, wer absagt?

Das IOC hat zuletzt mehrmals betont, dass es finanziell abgesichert ist, auch aufgrund von entsprechenden Rücklagen und Versicherungen. Der finanzielle Aspekt ist für die Entscheidungsfindung nicht relevant. Es geht darum, die bestmögliche Entscheidung für alle Zielgruppen (Nationale Olympischen Komitees, Sportverbände, Tokio-2020-Organisationskomitee, Aktive, Betreuer, Medien, Fans) zu treffen. Und zwar unter der Garantie, dass die Gesundheit und Sicherheit der Beteiligten ganz klar im Vordergrund steht. Dazu müssen auch Fragen wie Schutz des sauberen Athleten und Chancengleichheit (in der Vorbereitung) diskutiert werden.

Sehen Sie mehr Japans Regierung oder das IOC in der Verantwortung?

In der Task-Force sind neben dem IOC die WHO, das Tokio-2020-Organisationskomitee und die japanische Regierung bzw. das Stadtparlament von Tokio vertreten. Es wird eine gemeinschaftliche Entscheidung unter Führung des IOC.

Mehrere Szenarien stehen im Raum, eine Verschiebung in den Herbst, den Sommer 2021 oder 2022. Was würden Sie präferieren?

Ich habe es angedeutet. Da gilt es eine Reihe von schwierigen Fragen zu beantworten. Ist die Situation im Herbst schon entspannt genug? Falls nicht, ist die Verschiebung um ein Jahr sicher eine vernünftige Wahl, auch um Chancengleichheit in Sachen Trainingsmöglichkeiten und Schutz des sauberen Athleten gewährleisten zu können.

Ein Terminchaos scheint unvermeidlich. Wäre Olympia 2022 nicht ein Bruch mit der Tradition, Olympia im Sommer und Winter zu trennen?

Eine Verlegung bis ins Jahr 2022 kann ich mir persönlich nur sehr schwer vorstellen. Winter- und Sommerspiele innerhalb von nur fünf Monaten, das scheint mir heutzutage nicht mehr möglich. Das wäre für die nationalen Olympischen Komitees eine enorme logistische Herausforderung, auch budgetär.

Die Fußball-WM im gleichen Jahr , wäre das nicht zum Schaden aller?

Die Winterspiele im Februar in Peking, die Fußball-WM im Winter in Qatar – das ist jetzt kein großes Problem, würde ich sagen. Sommerspiele dazwischen, das wäre dann vermutlich ein Overkill.

Olympia kann Hoffnung verleihen. Liegt das auch dem Zuwarten zugrunde?

Eine positive Sichtweise auf die Zeit nach der Covid19-Krise tut uns allen gut. Erst recht Sportlern, die täglich daran arbeiten, besser zu werden. Und natürlich hoffen alle Sommersportler, dass ihre Saison zumindest teilweise stattfinden kann. Schon deswegen sind unsere Olympia-AthletInnen gut beraten, wenn sie bestmöglich weitertrainieren.

Wie empfinden Sie das Krisenmanagement das IOC? Prallen da nicht zu viele Interessen aufeinander?

Das IOC hält Kontakt zu allen Nationalen Olympischen Komitees, zu den Sportverbänden und zu den Athleten-VertreterInnen. Seit Februar arbeitet die Task-Force an der Sache, evaluiert die Situation auf täglicher Basis. Mit derartig vielen involvierten Stakeholdern ist das eine sehr komplexe Situation.

Wie würde sich eine mögliche Verschiebung auch auf weitere Olympische Spiele, etwa 2024 in Paris oder 2026 in Mailand/Cortina auswirken?

Davon ist derzeit nicht auszugehen. Die Vorbereitungen dafür laufen nach Plan.

Scheint Mailand/Cortina angesichts der momentanen Betroffenheit der Lombardei aus wirtschaftlicher und organisatorischer Sicht durchführbar?

Derzeit hat Italien sicherlich andere Sorgen. Für die Vorbereitung von Mailand/Cortina bleibt noch ausreichend Zeit, nachdem die jetzigen Probleme in Italien und weltweit gelöst sind. MAD