Verschoben, nicht aufgehoben: „Tokio 2021 ist und bleibt das große Ziel“

Rollstuhltennisspieler Thomas Flax will sich bei Paralympics 2020 seinen sportlichen Traum erfüllen.
Dornbirn Eine Teilnahme an Olympischen Spielen ist praktisch für jeden Sportler das große Ziel. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen „Fußgänger“ oder wie im Fall von Thomas Flax um einen Rollstuhltennisspieler handelt. Seinem aufgrund der Coronapandemie um ein Jahr verschobenen sportlichen Traum ordnet der 37-Jährige weiterhin alle Aktivitäten unter. „Ich will kommenden August in Tokio bei den Paralympics dabei sein. Das habe ich mir in den Kopf gesetzt, ich gehe All In.“ Im Interview gibt Flax Einblick in sein Vorhaben, nach Klaus Salzmann 1996 in Atlanta als nächster Dornbirner zu olympischen Ehren zu gelangen.
Die Saison 2020 war aufgrund diverser Umstände nicht einfach. Wie fällt deine sportliche Bilanz aus?
Zumindest aus sportliches Sicht war 2020 gar nicht so schlecht. Die Corona-Zwangspause seit März konnte ich gut nutzen, um mich gesundheitlich zu erholen und in Sachen Training durchzustarten. Ich konnte im Sommer so viel trainieren wie nie zuvor, das war kein Nachteil. Seit September laufen wieder internationale Turniere – im Einzel haben nicht die gewünschten Ergebnisse herausgeschaut, im Doppel habe ich aber gezeigt, dass der Grundstock für internationale Turniere reichen kann. Ich habe 2020 an sechs Turnieren teilgenommen, erreichte in Arizona das Halb- bzw. in Brünn und Győr jeweils das Viertelfinale. Vor wenigen Tagen gab es dann beim ITF Open in Alanya (Tur) mit dem Triumph zusammen mit Nico Langmann im Doppel einen krönenden Abschluss. Für mich war es der insgesamt 19. im Doppel und 24. in der Karriere.
Wie sieht es auf der „Road to Tokyo“ für dich aus?
In der Weltrangliste brauche ich einen Platz unter den Top 40, um fix in Tokyo dabei zu sein. Aktuell bin ich auf Position 46, also ganz knapp dran. Ab Mitte März geht es mit Turnieren weiter, fünf bis sechs Plätze kann man mit guten Ergebnissen durchaus gutmachen. Daran glaube ich und dafür arbeite ich. Es gibt auch noch einen Plan B, nämlich mit einem guten Doppel-Ranking eine Wildcard für das Einzel zu erhalten. Österreich hat mit dem Tiroler Martin Legner (Nummer 30 im Einzel bzw. 26 im Doppel), dem Wiener Nico Langmann (34 Einzel, 40 Doppel) und dem Niederösterreicher Josef Riegler (35 Einzel, 50 Doppel) drei Spieler, die sich über die Weltrangliste qualifizieren könnten. Vielleicht erhalte ich vom IPC dann eine Einladung, um zwei Doppel für Österreich zu ermöglichen. Der Fokus liegt aber darauf, es aus eigener Kraft zu schaffen. Alleine in der engeren Auswahl zu sein ist schon großartig. Ich bin zuversichtlich. Während Legner (58) seit 1992 sechs Mal in Folge bei Paralympics teilgenommen hat, und Langmann (23) vor vier Jahren zu olympischen Ehren kam, wäre es für Riegler (44) und mich die Premiere.
Du hast das starke rot-weiß-rote Team angesprochen. Gibt es viel Austausch?
Wir sind fast wie eine Familie, pflegen auch außerhalb des Tennisplatzes den Kontakt sehr stark. Egal ob das Nico Langmann mit Mitte 20 oder Martin Legner mit knapp 60 Jahren ist – das Alter spielt dabei keine Rolle. Wir lieben den Sport und schätzen einander. Wir sprechen nicht nur über Tennis, auch über private Dinge wie Familie und Beruf. Ich versuche immer Turniere zu spielen, wo auch andere Österreicher sind. Dann ist man nicht so allein und hat auch neben dem Platz jemanden. Ich habe gemerkt, dass ich das brauche, um frisch im Kopf zu bleiben.

Wie würdest du dich als Spieler beschreiben? Was sind deine Stärken, wo hast du noch Potenzial?
Ich werde oft darauf angesprochen, dass ich eine gute Hand habe. Ich habe am Court gute Ideen, sehe viele Dinge und erkenne Situationen, also das intuitive Tennis ist meine Stärke. Das merkt man im Doppel, wo es ja sehr gut läuft. Im Rollstuhl bin ich technisch nicht so stark, fahrerisch sind mir andere sicher voraus. Bei langen Ballwechseln zeigt sich das, da kann ich nicht mithalten. Ich muss den Bachwechsel kurz halten und auf den Punkt gehen.
Du hast festgelegt, dass du voll auf Tokio hinarbeitest. Was macht Paralympics so speziell?
Es war, seit ich klein bin, immer mit Gänsehaut verbunden, wenn ich an Olympische Spiele oder Paralympics gedacht habe. Bis vor zehn Jahren war das immer etwas für andere oder die ganz Großen. Ich war begeisterter Fan und Zuseher, habe mich selbst rausgenommen. Dann habe ich erkannt, dass man nicht jünger wird. Wenn du dir den Traum erfüllen willst, musst du es angehen und durchziehen. Ich habe mir ein Herz genommen und die letzten drei bis vier Jahre alles investiert. Dann kannst du sagen, dass du alles dafür getan hast – finanziell, körperlich, mental. Entweder es klappt mit Tokio oder nicht.
Drei Jahre später wären in Paris wieder Paralympics. Wäre dies eine Alternative, falls es in Tokio nicht klappen sollte?
Das schließe ich aus. Mit meiner Behinderung (Anm. Bruch des fünften Brustwirbels – Fachbegriff TH 5) ist Rollstuhltennis ein hartes Pflaster, über mehrere Jahre auf diesem Niveau für mich zu hart. Ich gehe All In in Sachen Tokio, Paris ist aber definitiv kein Thema. Nach dem Sommer 2021 werde ich mich zurücknehmen und nicht mehr so professionell spielen. Beruf und Familienplanung stehen dann im Vordergrund.
Apropos Beruf: Vor Kurzem hast du auch mit einem Universitätslehrgang auf der Uni Salzburg begonnen. Wie kam es dazu?
Ich bin Anfang des Jahres aus den USA zurückgekehrt und in den ersten Lockdown geschlittert. Die Paralympics wurden auf 2021 verschoben, ich hatte plötzlich viel Zeit. Ich muss neben dem Training etwas für den Kopf und meine Zukunft machen, das war bei mir schon immer so. Nur Training, Training, Training reicht nicht. Dann kam der ÖPC-Newsletter in mein Postfach und es ging um den Lehrgang in Salzburg. Ich war sofort Feuer und Flamme und konnte mich damit identifizieren. Die Vorstellung, dass sich sportbegeisterte Menschen zusammentun und sich ansehen, welche Werkzeuge es für guten Journalismus braucht, hat mich begeistert. Dann habe ich den Kontakt gesucht und mich angemeldet.
Und wie läuft es?
Es ist eine tolle Lehrveranstaltung mit sehr interessanten Menschen. Man kann viel lernen und ein gutes Netzwerk aufbauen. Ich arbeite ja seit Jahren im Medienbereich in Vorarlberg. Daher kann ich sicher viel mitnehmen.
Training und Studium zu verbinden ist nicht immer einfach, wie gelingt dir das?
Ich habe mich abgesichert und von der Uni und den Verantwortlichen die Bestätigung, dass gewisse Fehlzeiten in Kauf genommen werden, wenn ich bei Turnieren bin. Außerdem habe ich vor Ort die Möglichkeiten zu trainieren. Es sind lauter Profis am Werk, die äußerst affin in Sachen Sport sind. Das wird also sicher kein Problem sein.
Ein kurzer Ausblick auf 2021: Wie wäre der ideale Verlauf der kommenden Monate?
Zuerst hoffe ich, dass wir alle zusammen die Covid-19-Pandemie gut überstehen und im Frühling sagen können, es war schwer, aber wir haben das Schlimmste hinter uns. Ab März wäre es großartig, eine faire Paralympics-Qualifikation bestreiten zu können und im Juni mit vier Rollstuhl-Tennisspielern für Tokio qualifiziert zu sein. Im September will ich dann in Tokio diese Bilder im Kopf real werden lassen, den Spirit erleben, im Idealfall mit Zusehern. Im November will ich zurücklehnen können und etwas erlebt haben, von dem ich noch meinen Enkelkindern erzählen werde.

Sollte es Thomas Flax gelingen, sich für die Sommer-Paralympics in Tokio 2021 (24. August bis 5. September) zu qualifizieren, wäre er der zweite Dornbirner. Vor 24 Jahren bei den zehnten Paralympics der Geschichte in Atlanta belegte der damals 32-jährige Salzmann zusammen mit Martin Legner im Doppel den fünften Rang. Salzmann/Legner unterlagen im Viertelfinale gegen die Franzosen Abde Naili/Laurent Giammartini 4:6, 5:7. Im Einzel schied Salzmann im Achtelfinale nach einem 2:6, 3:6 gegen Jim Black (USA) aus. Größter sportlicher Erfolg von Salzmann war der Gewinn der Goldmedaille bei den Winter-Paralympics 1998 in Nagano im Riesentorlauf.
Harald Roth mit Gold-Triple im Speerwurf 1984, 1988 und 1992
Erfolgreichster Vorarlberger Aktiver bei Sommer-Paralympics ist der Altacher Harald Roth. Der heute 56-Jährige, Sekretär im Behindertensportverband Vorarlberg, gewann 1984 In New York Gold im Speerwurf und Bronze in der 4-mal-400-Meter-Staffel. Vier Jahre später in Seoul und 1992 in Barcelona konnte er abermals jeweils Gold im Speerwurf gewinnen. In Barcelona gab es zudem für Roth Silber im Diskuswurf und Bronze in der 4-mal-100-Meter-Staffel.

Erster Vorarlberger Medaillengewinner bei Sommer-Paralympics war 1996 in Tokio der bereits verstorbene Josef Jäger mit Bronze im Schwimmen (50-Meter-Brust). 1976 in Toronto holte Karl Haider Silber im Fünfkampf und 1980 in Arnheim Paul Schwärzler Gold im Speerwurf. Komplettiert wird die Ländle-Ausbeute durch Silber (Einzel) und Bronze (Doppel) von Hildegard Fetz im Tischtennis 1988 in Seoul.