“Den Steilhang habe ich immer noch im Kopf”

Die Göfnerin hat auch zwei Tage nach dem Gewinn von Edelmetall den Erfolg noch nicht ganz realisiert.
Peking Es hat sich mittlerweile viel getan, seit Katharina Liensberger die Silbermedaille im Slalom geholt hat.
Zwei Nächte, wenig Schlaf, kleine Feierlichkeiten und die zwei Goldmedaillen von Johannes Strolz und Alessandro Hämmerle. Der zweite Slalom-Durchgang zu Edelmetall lässt die Göfnerin aber immer noch nicht los.
Frau Liensberger, haben Sie schon realisiert, dass Sie die letzten beiden Nächte mit einer Silbermedaille am Nachtkästchen verbracht haben?
Ich glaube, das braucht noch ein wenig Zeit (lacht). Die Bedeutung der Medaille ist halt schon sehr groß, deshalb laufe ich derzeit mit einem sehr breiten Grinsen im olympischen Dorf herum. Die Nächte waren hingegen eher kurz, ich war einfach immer noch zu aufgedreht. Dafür bin ich mit einem zufriedenen Lächeln eingeschlafen.
Träumen Sie noch vom Silbergewinn?
Also die Bilder und die Gefühle sind schon noch sehr präsent. Vor allem vom zweiten Lauf. Den Steilhang habe ich immer noch im Kopf. Da bin ich all-in gegangen und habe es auch gespürt. Ich wusste, dass ich am letzten Zacken fahren muss, besonders auch im letzten Streckenabschnitt. Wenn ich die Augen zumache, habe ich diesen Augenblick der Zieleinfahrt genau vor mir.
Was für ein Gefühl kam in Ihnen hoch, als Sie dann die Zwei aufleuchten sahen?
Gemischte. Zum einen wusste ich, dass mir ein sehr guter Lauf gelungen war, zum andern aber auch, dass noch sechs Läuferinnen mit zum Teil viel Vorsprung am Start standen. Deshalb war die Warterei im Zielraum unglaublich hart. Ich wusste nicht, wohin mit meinen Gefühlen. So etwas habe ich in meiner Laufbahn noch nie erlebt. Außer Warten konnte ich nichts mehr tun, ich war nur mehr Passagier.
Was verspürten Sie nach Ende des Rennens?
Natürlich eine riesige Freude. Dazu eine Befreiung, eine extreme Erleichterung und auch Genugtuung. Ja, ich war auch einfach megastolz, es nach so schweren Phasen im Laufe der Saison, mit allem, was geschehen war, auf den Punkt hingebracht zu haben.
Wie haben Sie es geschafft, auf den Tag X voll da zu sein?
Das ist schwer zu sagen. Man bereitet sich im Sommer auf eine lange Saison vor, und dann geschehen eben Dinge, die man nicht beeinflussen kann. Da passiert in meinen Augen dann alles unterbewusst im Kopf. Man speichert Dinge ab, die man dann instinktiv wieder abruft. Vielleicht musste ja alles so geschehen – die Coronaerkrankung, die langwierigen Erkältungen, der Tod von meinem Großvater – sodass sich in meinem Kopf der Glaubenssatz noch mehr manifestierte: „Wenn ich etwas will, dann setze ich alles daran, es zu erreichen.“
Der Weg zu Silber war dadurch enorm steinig, dazu die Erwartungshaltung. Wie sind Sie damit umgegangen?
Die Latte der Erwartungshaltung habe ich mir ja selbst durch die unglaublich gute letzte Saison hoch gelegt. Dazu habe ich ja auch noch Ansprüche an mich selbst. Das alles war schon nicht wenig. Aber ich wusste, dass ich nur 100 Prozent am Berg geben kann, wenn ich körperlich voll fit bin. Das musste ich mir Schritt für Schritt erarbeiten, da gibt es keine Abkürzung. Am Ende bin ich natürlich extrem glücklich, dass es so aufgegangen ist.
Sind die Feierlichkeiten schon abgeschlossen?
Ja, am Abend des Gewinns wurde noch im kleinen Rahmen im Hotel gefeiert. Wir waren eine coole Gruppe. Der Käsekuchen mit Marzipan, das ich besonders liebe, hat grandios geschmeckt. Dazu habe ich mir nun zwei Tage frei gegeben, einfach mal, um wieder runterzukommen.
Und erlebten dabei die Goldmedaille von Johannes Strolz hautnah an der Strecke mit.
Einfach grandios, was der Johannes hingelegt hat. Die Freude darüber und auch über die Goldene von „Izzy“ (Hämmerle) im Boardercross war genial. Halt einfach Ländlepower (lacht).
Sie sind seit dem 28. Jänner in Peking, Rückflug in die Heimat ist erst am 20. Februar. Sie genießen Olympia in vollen Zügen.
Mit einer Silbermedaille in der Tasche auf jeden Fall (lacht). Doch jetzt steht noch der Teambewerb (19. Februar) an. Daran habe ich super Erinnerungen mit Silber vor vier Jahren. Dazu finde ich es im olympischen Dorf richtig cool, ich kann mich hier richtig gut unterhalten.
Abschließend: Wie groß werden die Feierlichkeiten, wenn Sie wieder im Ländle sind?
Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Da ich nun schon lange von Zuhause weg bin, freue ich mich einfach darauf, meine Familie und Freunde wieder umarmen zu können.
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