Mixed Zone mit Egon Theiner: Im Ausländer-Ghetto

Olympische Spiele sind ein Synonym für lange Arbeitstage für Medienvertreter, Zulieferer, Mitarbeiter des Organisationskomitees. Das Pressezentrum in Genting öffnet zwischen sechs und acht Uhr in der Früh und schließt zuweilen erst nach Mitternacht.
Ein Quartier nahe der Wettkampfstätte ist also Gold wert, will man nicht zu viel Zeit im Auto oder Bus verbringen. Als ich gegen Ende Jänner von einem Hotel in ein weiter entferntes Quartier verlegt werde, raste ich deswegen auch aus und rede seitdem nur mehr von „Fucking Thaiwoo“.
Thaiwoo ist ein Skiresort mit einigen Hotels und einer Strecke, die aktuell zwar nicht befahren wird (oder werden darf), dennoch aber jede Nacht in einer Flut von Scheinwerferlichtern erstrahlt. Thaiwoo ist jener Ort, den das Organisationskomitee zum Ghetto der Ausländer erkoren hat. Rund um das Areal ist ein Zaun angelegt, geht man ihn ab, kommt man auf knapp einen Kilometer. Im Hotel treffe ich beim Frühstück auf deutsche, französische, Schweizer Funktionäre des Internationalen Skiverbandes oder der Internationalen Biathlon-Union, auf Spanier der Zulieferfirma Atos, selbstverständlich auf meine Arbeitskollegen: Da ist Dustin aus den USA, Alex aus Griechenland, Alessandro aus Italien (der in Australien lebt), Hiroko aus Japan und so weiter.
Es ist möglich, vor die Hoteltür zu treten, doch aus dessen Schatten entkomme ich nur, wenn ich den Bus Nummer neun nehme, der mich Richtung Zhangjiakou Snow Park (und von dort zurück) bringt: gefangen im Loop, gefangen im Ghetto.
Mit Maßnahmen solcher Art erzielen die chinesischen Organisatoren wohl gleich einen doppelten Effekt. Sie halten das Virus und gleichzeitig auch die Fremden unter Kontrolle. Viel Zeit, mir darüber den Kopf zu zerbrechen, habe ich nicht. Doch da das Essen gut und das Hotelzimmer angenehm ist, bin ich mit dem Ghetto einigermaßen zufrieden. Das Leben in einem echten Ghetto wäre auf alle Fälle herausfordernder.