So ticken unsere EM-Helden

Vier Vorarlberger und drei Ländle-Legionäre mischen die Handball-Welt auf.
Köln Siege gegen Rumänien und Ungarn, Unentschieden gegen Kroatien, Spanien und Deutschland – die Elite des Welthandballs konnte bei der Handball-Europameisterschaft in Deutschland das österreichische Nationalteam bislang nicht besiegen. Am sensationellen Erfolg der rot-weiß-roten Auswahl hat Vorarlberg einen riesigen Anteil. Mit Robert Weber, Lukas Herburger, Boris Zivkovic und Ralf Patrick Häusle stammen vier EM-Teilnehmer aus dem westlichsten Bundesland und haben hier das Handballspielen gelernt. Dazu profitieren die drei Wiener Constantin Möstl, Tobias Wagner und Markus Mahr als Legionäre der Spitzenteams Alpla HC Hard beziehungsweise Bregenz Handball vom Know-how der Handball-Hochburg Vorarlberg.
Das Septett war bei den bisherigen fünf Spielen in Mannheim und Köln nicht nur Teil des Kaders, sondern spielt eine Schlüsselrolle im Team von Teamchef Ales Pajovic. Das Erfolgsgeheimnis des ÖHB-Teams liegt allerdings nicht nur auf dem Parkett, die Österreicher präsentieren sich auch abseits des Spielfelds als Einheit, die Freundschaften der Spieler untereinander sind nicht gespielt. Dabei kämpfen etwa Möstl und Häusle um den Platz im Kasten der ÖHB-Mannschaft. Nach den Spielen präsentieren sich die Protagonisten stets authentisch, die TV-Interviews etwa von Herburger und Co. sind bereits legendär und werden auf Social-Media tausendfach geteilt.
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Die Reise geht weiter
Über eine halbe Million Zuschauer verfolgten das Duell der Österreicher am Samstagabend gegen Deutschland live im TV, die Begeisterung für das Handball-Nationalteam ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Doch die Reise des Teams ist noch lange nicht abgeschlossen, das Halbfinale ist vor den Duellen mit Frankreich und Island in Reichweite.

Der Abwehrchef gibt alles für die Mannschaft
Lukas Herburger ist ein Verrückter im positiven Sinne, für den der Mannschaftserfolg über allem steht. In Deutschland überzeugt der 29-Jährige als Abwehrchef der unerwartet starken Deckung. Nach der Partie gegen Spanien kämpfte er mit den Tränen, gegen Deutschland fehlten dem Schaffhausen-Legionär ausnahmsweise die Worte. Während des Spiels brachte er mit klaren Ansagen ein wankendes Team wieder auf Erfolgskurs. „Ich musste den Indianergruß machen, als wir nervös geworden sind. Danach ist das Lächeln zurückgekommen.“

„Ich würde auch noch mit einem gebrochenen Arm spielen“
Constantin Möstl ist der beste Torhüter der Europameisterschaft. Mit 59 Paraden bei 166 Schüssen hält der 23-Jährige mehr als ein Drittel aller Würfe auf sein Tor. Der Wiener, seit Sommer in Hard, ist sich über seine Stärke durchaus bewusst. „Ich kann mich an kein Spiel erinnern, in dem ich schlecht gehalten habe“, hatte er vor der EM über seine bisherige Saison gesagt. Sein Abgang zu Lemgo soll bereits feststehen. Nach seinem Stangencrash gegen Deutschland ist Möstl lädiert, eine Pause braucht er aber nicht: „Ich würde auch noch mit einem gebrochenen Arm spielen.“

Der Siebenmeterkönig erlebte neue Höhen
Mit 38 Jahren, über 200 Länderspielen und 15 Saisonen im Ausland hat Robert Weber mutmaßlich alles im Sport erlebt. Trotzdem sagte der Harder nach dem Aufstieg des ÖHB-Teams in die Hauptrunde: „In dieser Gruppe weiterzukommen, ist das Größte, das ich bisher erlebt habe“, sagt der Flügelspieler, den viele nach seiner vereinslosen Zeit im Herbst und dem Engagement beim HLA-Letzten Bärnbach/Köflach bereits abgeschrieben hatten. Mit 23 EURO-Toren und acht von neun verwandelten Siebenmetern zeigte Weber, was noch alles in ihm steckt.

„Ich liebe dieses Team einfach“
Tobias Wagner ist eine Erscheinung. Deutschland-Coach Alfred Gislason wollte beim letzten österreichischen Angriff unbedingt einen Pass zum Bregenzer Kreisläufer verhindern. Weltstar Juri Knorr ließ sich kurz davor zu einer unsportlichen Schwalbe hinreißen, weil er sich anders nicht gegen Wagner zu wehren wusste. Doch bei aller Emotion rund um die Spiele des ÖHB-Teams bei der EURO wirkt der 28-jährige Wiener, der seit Sommer in Bregenz spielt, wie der Fels in der Brandung. „Ich liebe dieses Team einfach, ich bin mit allen befreundet“, sagte Wagner.

Der letzte Linke wächst mit der Aufgabe
Teamchef Ales Pajovic sollte Boris Zivkovic nach dem Spiel am besten in Watte packen und rundum umsorgen. Dem 31-jährigen Harder darf keinesfalls etwas zustoßen, denn nach der Erkrankung von Janko Bozovic ist kaum ein ÖHB-Spieler so unersetzbar wie „Bobo“, der letzte Linkshänder im österreichischen Rückraum. Zivkovic hatte lange den Ruf, zu unkonstant zu sein, doch bei der Euro präsentierte sich der Polen-Legionär zuverlässig wie nie. Mit einer Wurfquote von über 67 Prozent und 12 Turnier-Treffern – davon einige entscheidend – untermauerte Zivkovic seine Qualität.

Ein Teamplayer, der stets bereit ist
Mit einer Weltklasseleistung im Testspiel gegen Island ist Ralf Patrick Häusle noch auf den EURO-Zug aufgesprungen und zeigt sich in Deutschland als wahrer Teamplayer. „Ich soll Consti unterstützen“, sagte das Bregenzer Urgestein nach dem Unentschieden gegen Deutschland und lässt dabei unerwähnt, dass er schon mehrfach selbst im Kasten ausgeholfen hat. Bei sechs Paraden bewies der 29-Jährige, dass auf ihn Verlass ist, sollte Möstl einen schwächeren Tag erwischen. Auch außerhalb des Spielfelds ist der Bregenz-Kapitän auf einer Wellenlänge mit seinem Konkurrenten Möstl.

Einer, der nicht zu viel nachdenkt
Völlig unerschrocken stürzte sich Markus Mahr in die deutsche Abwehr und erzielte unmittelbar nach seiner Einwechslung gegen perplexe Deutsche den Treffer zum zwischenzeitlichen 10:6. Der 23-jährige Bregenz-Rückraum spielt seit der Bozovic-Erkrankung als Rechtshänder im rechten Rückraum auf und sucht stets das Eins-gegen-eins. „Er hat den besten Haken der Liga, das zeichnet ihn aus. Er denkt nicht zu viel“, beschreibt WM-Held Constantin Möstl seinen Freund Mahr. „Extrem cool“ beschreibt der Wiener selbst den Auftritt in Deutschland.