Vom Mobbing-Opfer zum Olympia-Traum

Sport / 08.05.2024 • 17:20 Uhr
ABD0071_20240419 – Lubjana Piovesana am Freitag, 19. April 2024, wŠhrend einer PK der …JV zur EM- und WM-Vorschau und Road to Paris 2024 in Wien. – FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH
Lubjana Piovesana eilt derzeit von Erfolg zu Erfolg. Gepa

Lubjana Piovesana hat in Vorarlberg ihr Glück und ihren sportlichen Erfolg wiedergefunden.

Linz Auch vier Tage nach ihrer Goldmedaille beim Grand Slam in Dushanbe (Tadschikistan) ist Lubjana Piovesana noch euphorisiert. „Es war ein fantastisches Wochenende“, sprudelt es aus der 27-Jährigen heraus, „ich habe nicht erwartet, eine Goldmedaille zu gewinnen. Aber der Wettkampf war hervorragend und fand vor einer tollen Kulisse statt. Vor so vielen Fans habe ich noch nie gekämpft.“
Doch die große Geschichte des Erfolgs in Tadschikistan war nicht der Finalsieg der Neo-Österreicherin gegen die Russin Dali Liluaschwili, sondern die damit verbundene Olympia-Qualifikation Piovesanas für die Spiele in Paris. „Es wurde noch nicht offiziell verkündet. Ich kann noch gar nicht glauben, dass ich dabei sein werde, auch wenn es mir die Trainer bestätigen, dass ich nach Paris fahren werde und bereits entspannen kann. Ich muss es mit eigenen Augen auf einem Dokument sehen, um es zu glauben“, erzählt Piovesana und lacht.

Lubjana Piovesana
In Dushanbe freute sich Lubjana Piovesana über Gold. Tamara Kulumbegashvili

Mobbing vom britischen Verband

Dass ihr Olympia-Traum („Das habe ich immer angestrebt, deshalb habe ich mit Judo begonnen“) bereits in diesem Jahr Realität wird, hätte Piovesana, die von allen nur Lulu genannt wird, vor einigen Monaten noch für unwahrscheinlich gehalten. Erst Anfang 2023 bekam sie die österreichische Staatsbürgerschaft und hatte nur knapp eineinhalb Jahre Zeit, genügend Punkte für die Olympia-Qualifikation zu sammeln. Erschwerend kam hinzu, dass die gebürtige Britin in den drei Jahren vor ihrem Nationenwechsel nur einen Wettkampf bestritten hatte. Zuvor war sie im britischen Verband massiv gemobbt worden, auch körperliche Übergriffe von Teamkolleginnen sind dokumentiert. Mit Fortdauer der Ermittlungen war Piovesana im Team völlig isoliert und wurde zur Persona non grata, die bei Training und Wettkampf unerwünscht war. Später stellte sich heraus, dass es noch weitere Vorfälle und Betroffene gab.

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2017 kämpfte Piovesana (in weiß) noch für Großbritannien. Gepa

In Österreich angekommen

Mit dieser Phase hat die 27-Jährige inzwischen abgeschlossen. „Ich werde noch häufig darauf angesprochen. Es war eine sehr traurige Zeit für mich, aber ich habe gelernt, damit klarzukommen, weil mich mein jetziges Umfeld stark macht“, erzählt Piovesana. In Österreich erlebte die Freundin von Laurin Böhler einen rasanten sportlichen Aufstieg. In Rekordzeit kletterte die U23-Europameisterin von 2018 in der Weltrangliste nach oben, nach dem Triumph in Dushanbe zählt sie erstmals zu den Top Ten der Welt. „Ich habe zahlreiche Medaillen in den Juniorenklassen gewonnen, die Probleme im britischen Verband haben mich anschließend jahrelang eingebremst. Jetzt fühle ich mich endlich wieder selbstbewusst“, berichtet „Lulu“. Dass die aus Birmingham stammende Judoka über großes Potenzial verfügt, war den Verantwortlichen in Österreich schnell bewusst, sie brauchte nur die richtige Unterstützung. „Ich habe früher häufig meine Nerven weggeworfen, jetzt arbeite ich mit einem Psychologen. Das hat mir geholfen, an mich selbst zu glauben. Es war natürlich schwer, nach so einer langen Pause wieder in den Wettkampfmodus zu kommen, doch seit der Glaube an meine eigene Stärke zurück ist, läuft es auf der Matte“, erzählt die Olympia-Teilnehmerin.

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Gekommen, um zu bleiben

Im Frühjahr 2020 war Piovesana auf Österreich-Besuch bei ihrem Freund Böhler, als plötzlich Corona über Europa hereinbrach und das gesamte Leben lahmlegte. „Ich konnte nicht mehr abreisen“, erinnert sich Piovesana. Der Zwangsaufenthalt in Vorarlberg wurde rückblickend zum Glücksfall, die Britin verliebte sich in ihre neue Heimat. „Isolation ist nicht so schlimm an solch einem schönen Ort“, schrieb sie damals auf ihrem Instagram-Account unter ein Foto am Bodenseeufer. Inzwischen wohnt die Neo-Österreicherin nur wenige Meter vom See entfernt in Lochau. „Ich dachte damals, ich kehre nach Corona wieder zurück nach Birmingham, doch am Ende bin ich einfach dageblieben, weil es hier so schön ist“, sagt die 27-Jährige, „es fühlt sich oft an wie im Urlaub.“

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Mit ihrem Partner Laurin Böhler verbindet sie neben der gegenseitigen Zuneigung die Liebe zum Judo. „Wir sind beide sehr ehrgeizig und vergleichen unsere Erfolge“, scherzt Piovesana, „es ist wirklich schön jemanden zu haben, mit dem man über die Probleme beim Training oder den Wettkämpfen sprechen kann und der das auch versteht.“

<p class="caption">Bei der Staatsmeisterschaft holten Piovesana und Böhler jeweils den Titel.<span class="media-container dcx_media_rtab" data-dcx_media_config="{}" data-dcx_media_type="rtab"> </span><span class="marker">Fleisch</span></p>
Bei der Staatsmeisterschaft holten Piovesana und Böhler jeweils den Titel. Fleisch