Die Lust am Scheitern
„Keine Mannschaft auf dieser Welt wird uns noch unterschätzen, bei dem, was wir in den letzten Spielen gezeigt haben. Wir haben viel Euphorie ausgelöst, die müssen wir mitnehmen“, sagte ein Schlüsselspieler nach der Europameisterschaft. Es war aber kein Fußballer, sondern Handballer Lukas Hutecek nach der EURO im Jänner, die das ÖHB-Team auf Rang acht beendete. „Wir müssen schon wissen, was Österreich bei diesem Turnier geleistet hat. Wir haben eine Euphorie ausgelöst“, sagte der österreichische Teamchef. Es war aber nicht Ralf Rangnick, sondern Roger Bader nach der Eishockey-WM im Mai, welche das ÖEHV-Team auf Rang zehn beendete. „Wir haben eine Euphorie entfacht, nicht nur in Österreich, auch in der Mannschaft. Wir haben geglaubt, dass wir sehr viel erreichen können.“ Zumindest dieses Zitat ist aktuell. Maximilian Wöber traf die Aussage nach dem Achtelfinal-Aus gegen die Türkei. Die Zitate ähneln sich ebenso wie die Auftritte der drei großen österreichischen Männer-Nationalteams bei den jeweiligen Großveranstaltungen in diesem Kalenderjahr.
Nach begeisternden und überraschenden Leistungen wie dem Handball-Remis gegen Deutschland, dem Eishockey-Sieg gegen Finnland oder dem Fußball-Erfolg gegen die Niederlande setzte es in den Entscheidungsspielen jeweils eine Niederlage. Am Ende blieb bei allen drei Teams Enttäuschung, aber auch Stolz über die Leistung und die entfachte Euphorie. Wirklich unzufrieden war mit einigen Tagen Abstand in Österreich niemand mehr.
Ist diese Lust am Scheitern typisch österreichisch? Zumindest scheint das Ausruhen auf einer großen Leistung tief in der Mentalität der Alpenrepublik verankert zu sein. In der kollektiven Erzählung des österreichischen Sports spielen Niederlagen eine Hauptrolle. Die Pleite gegen die Färöer-Inseln, das 0:9 gegen Spanien oder das nicht gegebene Tor von Marko Arnautović im EM-Achtelfinale 2021 gegen Italien sind unvergessen. Größeren Legendenstatus genießt einzig der Sieg gegen Deutschland in Cordoba – sportlich spielte dieser jedoch keine Rolle, Österreich war bei der WM 1978 bereits fix ausgeschieden.
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