Wo „cinq“ gerade sein darf
Ein Tag voller Überraschungen: pünktliche Deutsche Bahn, entspannte Franzosen und ein piepsender Metalldetektor.
Nach 18 Jahren finden Olympische Spiele endlich wieder einmal in der Nähe Vorarlbergs statt. Nach den Winterspielen 2006 in Turin warteten im Anschluss weite Reisen auf die heimsichen Teilnehmer und Berichterstatter. Nach China (2008, 2022), Kanada (2010), Großbritannien (2012), Russland (2014), Brasilien (2016), Südkorea (2018) und Japan (2021) sind die Olympischen Ringe dieses Mal in Paris zwar nicht in Rufweite des Bodensees, aber doch gut erreichbar. So gut, dass ich mich für die Anreise per Bahn entschieden habe. Allerdings nicht mit der Anfahrt über Zürich und Basel, sondern mit Umstieg in Lindau, Friedrichshafen, Ulm und Mannheim. Ich begab mich also in die Hände der Deutschen Bahn – sie sehen, ich liebe das Risiko. Und ich wurde – anders als zahlreiche Fans während der Fußball-EURO nicht enttäuscht, pünktlich kam ich nach 6:49 Stunden Fahrzeit in Paris Est an. Beeindruckend waren dabei die Unterschiede zwischen dem Start in Lindau mit einer dieselbetriebenen Lokalbahn, die in gemächlichem Tempo den Bodensee entlang tuckerte und dem TGV, der stundenlang mit über 300 km/h durch die französische Landschaft bretterte.
Doch genug von der entspannten Anreise. Paris empfängt die internationalen Gäste mit einer Mischung aus Über-Engagement, Laissez-faire und einer gesunden Portion Pragmatismus.
Nichts in der französischen Hauptstadt ist vergleichbar mit den „Corona-Spielen“ von Tokio und Peking. Trotz hoher Sicherheitsvorkehrungen und einem unglaublich großen Polizeiaufgebot – fast an jeder Ecke stehen schwer bewaffnete Uniformierte – nehmen die Franzosen nicht alles ganz genau, „cinq“ wird hier schon mal gerade gelassen. „Ach, der Metalldetektor piepst ein drittes Mal – es wird schon der Gürtel sein. Gehen Sie weiter und genießen Sie das Spiel“, bekomme ich bei meinem ersten Eintritt in das Olympiastadion Stade de France zu hören. (Auf Französisch, das ich nicht immer richtig verstehe; aber das ist eine andere Geschichte, die ich Ihnen in den kommenden Tagen einmal erzählen werde).
Auf jeden Fall entschied ich mich nach der Anreise mit dem Zug für das Fahrrad als mein Fortbewegungsmittel der Wahl – und lag damit erneut goldrichtig. Das Stade de France wird ohne Stress in einer halben Stunde aus Paris erradelt, auf dem Weg zeigen sich die oft gescholtenen Vororte Clichy und St. Denis von ihrer besten Seite und machten Lust auf die französische Art zu leben. Volle Cafes und gute Laune bis am späten Abend lassen die Vorfreude auf die Spiele wachsen. Dazu war der erste Olympische Bewerb, den ich mir nur wenige Stunden nach meiner Ankunft ansehen durfte, ein 7er Rugby-Spiel zwischen Neuseeland und Südafrika, äußerst unterhaltsam. Wenn es so weitergeht und die Stimmung der Gastgeber in den kommenden 16 Tagen konstant gut bleibt, werden wir schöne Spiele an der Seine erleben. „Bonne chance und au demain“ aus Paris. Dann erzähle ich Ihnen von der Eröffnung des Österreich-Hauses.
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