Johannes Emerich

Kommentar

Johannes Emerich

Pommes und Pappgesichter

Sport / 06.08.2024 • 13:01 Uhr

Was wird von den Olympischen Spielen in Paris bleiben? Die Erinnerung an die spektakulären Sportstätten und auf jeden Fall die Begeisterung der Fans. Jeder Sportler, mit dem ich gesprochen habe, freute sich über die lautstarke Unterstützung der Zuschauer. Das gilt sportartunabhängig. Egal, ob beim Reiten in Versailles, dem Straßenradrennen am Anstieg zu Montmartre oder beim Schwimmen in der La-Defense-Arena. Alle Wettkampfstätten sind meist ausverkauft, der Lautstärkenpegel teilweise beeindruckend hoch. Die Zuschauer zeigen sich bei (fast) allen Sportlern fair, feuern jeden an. Sobald jedoch ein Franzose zum Einsatz kommt, rastet die Halle/das Stadion komplett aus. Die Veranstalter blenden in diesen Momenten gerne einen Dezibel-Messer im Stile einer Geschwindigkeitsanzeige ein. Überwiegend werden deutlich dreistellige Werte erreicht. Die lautesten Momente der Spiele produzierten bisher zwei französische Lieblinge. Der Schwimmer Leon Marchand, der bereits vier Goldmedaillen gewonnen hat, und der 35-jährige Judoka Teddy Riner, der in Paris seine Olympiagoldmedaillen vier und fünf gewinnen konnte, sind die absoluten Lieblinge des Heimpublikums.
Die Fans der Gastgeber bringen Fahnen, Trikots und sonstige Utensilien in Blau-Weiß-Rot mit. Aus den Fankurven ragen bei jedem Wettkampf meterhohe Pappgesichter der französischen Stars hervor. Diese fielen mir schon am ersten Tag auf, ich war beeindruckt von der Kreativität der französischen Fans. Doch beim vierten Gesicht, das im gleichen Design gehalten war, wurde ich stutzig.

Es stellte sich heraus, dass die Veranstalter sogenannten „Leaders d’ambiance“ gratis Eintritt gewähren. Diese sollen im Gegenzug für Stimmung für die Franzosen sorgen. Nichts wird dem Zufall überlassen. Durch die externen Animateure ist der Zauber der begeisterungsfähigen französischen Fans etwas verflogen.

Kreative Zuschauer gibt es dennoch in jedem Stadion. Zuletzt plauderte ich mit einer Französin, die sich eine „Tricolore-Fahne“ zum Kleid genäht hatte. Etwas heiß sei das Outfit zwar, doch wer auffallen will, muss leiden. Zum Schmunzeln war dafür der Auftritt eines belgischen Schlachtenbummlers bei der Springreit-Qualifikation in Versailles. Beim traditionell gesitteten Pferdesport-Publikum wird weniger getobt als anderswo. Neben seiner Partnerin im schicken Frühlingskleid fiel der Belgier deshalb besonders auf. Er trug einen rot-gelben Overall, der eine Pommestüte darstellen sollte. Heiß und fettig wird’s für ihn in der prallen Sonne gewesen sein.