Martin Pfanner über das NFL-Deutschland-Gastspiel: “Act global, think local”

Sport / 06.11.2024 • 18:41 Uhr
NFL Owners Meetings
NFL-Commissioner Roger Godell. ap

Warum die nordamerikanische National Football League ihre internationale Expansion vor allem in den USA nützt.

München Bitte wundern Sie sich nicht über die im Titel absichtlich verdrehte und eigentlich richtig lautende Phrase „Think global, act local“ (zu deutsch in etwa: „Global denken, aber lokal Dinge anpacken“). Denn wenig trifft aktuell auf die National Football League (NFL), der finanzstärksten Liga des Planeten, besser zu. Warum, darf ich Ihnen darlegen.
Ich freue mich sehr, im bereits sechsten Jahr in Folge in den VN ein paar Dinge über American Football im Allgemeinen und die NFL im Speziellen aufbereiten zu dürfen. Der Anlass ist mit dem NFL-Gastspiel 2024 in der Münchner Allianz Arena am kommenden Sonntag natürlich kein ganz zufälliger.

Monetäres Wachstum angestrebt

Wenn mit den Carolina Panthers und den New York Giants zum vierten Mal binnen drei Spielzeiten zwei Franchises in unserem Nachbarland die Klingen kreuzen werden, dann ist das die logische Konsequenz einer seit Jahren vorangetriebenen, internationalen Expansion der mächtigen Liga. Die sogenannte „international series“ existiert seit dem Jahr 2005 und beschert europäischen NFL-Fans seit 2007 – bis auf zwei Jahre Corona-Pause – durchgehend „Regular Season“-Spiele in London und seit 2022 eben auch in Deutschland.
Der Grund, wie bei so vielen Aktivitäten der National Football League, liegt auf der Hand: Der Wunsch zu wachsen und eine daraus folgende Monetarisierung. In den Vereinigten Staaten ist die NFL seit ca. zwei Jahrzehnten die alles dominierende Sport-Entität. Auch wenn die Erlöse aus Tickets, Merchandise und TV-Rechten noch immer konstant wachsen (NFL-Umsatz 2023: 20,2 Milliarden Dollar, zum Vergleich die Premier League im Fussball mit ca. 7,7 Milliarden Dollar), so soll das natürlich tunlichst noch schneller passieren. In dieser Hinsicht kommt der NFL der globale Appetit auf American Football gerade recht.

NFL
Martin Pfanner als DAZN-Kommentator beim Spiel in München 2022.

TV-Marathons

Denn damit lassen sich nicht nur neue Länder und Märkte, sondern auch in den USA neue Finanzquellen erschließen. Jahrzehnte lang fanden NFL-Spieltage fast ausschließlich an Sonntagen statt. 13 Uhr und 16 Uhr Ortszeit (= 19 Uhr bzw. 22 Uhr europäischer Zeit) waren von September bis Jänner die Regeltermine für NFL-Spiele. Doch die NFL öffnete für sich und die TV-Partner mit den Europa-Spielen neue „Fenster“. Wenn am Sonntag in München der Kickoff um 15:30 Uhr Ortszeit erfolgt, dann passiert das in den USA zum (Ostküsten-)Frühstück um 9.30 Uhr und markiert so den Auftakt zu einem über zehnstündigen NFL-Marathon.

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TV-Erlöse

Global agieren, aber lokal denken, um zur Eingangswendung zurückzukehren, ist etwas, das die NFL aktuell zu perfektionieren versucht. Die Europa-Spiele – wovon heuer bereits drei in London ausgetragen wurden und eben jenes in München gespielt wird – sichern der NFL in den USA insgesamt mindestens zwölf weitere Stunden uneingeschränkte Aufmerksamkeit und natürlich auch Erlöse aus TV-Rechte-Deals.
Deswegen wundert es auch wenig, dass die Teambesitzer und ihr De-Facto-Vertreter Roger Goodell, seines Zeichens NFL-Commissioner, laut über eine drastische Ausweitung der „international series“ nachdenken. Ein NFL-Spiel im Madrider „Estadio Santiago Bernabéu“ gilt für 2025 als fix, Australien und Irland werden schon als weitere Länder genannt, die wohl bald echte NFL-Spiele austragen dürfen.

18 Saisonziele als Ziel

Die Marschrichtung ist dabei klar: über kurz oder lang wollen die 32 Team-Besitzer die aktuell 17 Spiele in der „Regular Season“ auf 18 erhöhen. In einem ultra-physischen Sport, wo die durchschnittliche (!) Profi-Karriere gerade mal 3,3 Jahre andauert, eine drastische Veränderung. Goodell hat bereits durchklingen lassen, dass dieses 18., für jede Franchise zusätzliche Spiel konsequent außerhalb der USA abgehalten werden könnte. Mehr Internationalität für mehr Geld und Exponierung im lokalen Markt. Oder eben „act global, think local“.

Martin Pfannner
Martin Pfanner ist selbstständiger Journalist, TV-Kommentator und Sendungsproduzent. Er arbeitet u.a. für Puls 24 und das Streaming-Portal DAZN. American Football und Eishockey sind seine großen Passionen.