Vom Bodensee bis nach Wien: ein Sieg für die Geschichtsbücher

Sport / 21.05.2025 • 18:35 Uhr
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Körperlich erschöpft, doch emotional aufgeladen: Kapitän Nico Schnabl und die Harder Helden nach dem Finaleinzug. GEPA

Oldie Doknic und Youngster Sgonc führen Hard bei historischem Fight ins Finale.

Hard Was für ein Spiel. Was für eine Nacht. Es war eines dieser Spiele, von dem man noch in Jahren sprechen wird – ein dramatisches Spektakel über 150 Minuten, das alles bot, was Handball ausmacht: Leidenschaft, Nervenstärke, Tragik und Triumph. Im zweiten Spiel der Best-of-three-Halbfinalserie setzte sich der Alpla HC Hard mit 52:51 nach zwei Verlängerungen und zwei Siebenmeterwerfen gegen die Fivers Margareten durch – und sicherte sich das Finalticket in der HLA-Meisterliga.

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Getroffen und gehalten

Es war das längste Spiel in der Geschichte der höchsten österreichischen Handballliga – und eines der emotionalsten. Einer der Helden: Goalie Golub „Lubo“ Doknic. Der 43-Jährige warf sich mit einer Paradequote von 33 Prozent nicht nur dem Gegner entgegen, sondern auch den Gesetzen der Zeit. In der entscheidenden Phase trat der Routinier selbst an die Linie – und verwandelte als fünfter Werfer im ersten Siebenmeterwerfen eiskalt. Danach hielt er gegen Fabian Glätzl – und verlängerte das Siebenmeterduell. „Ich habe schon öfter 80 Minuten gespielt, aber damals war ich jünger“, sagte Doknic mit einem Schmunzeln. Die Belohnung am trainingsfreien Tag: Ein Saunagang und Zeit mit Sohn Petar.

Für Doknic waren beide Halbfinalduelle „die beste Werbung für den Handballsport“. Er schwärmte: „Es war alles dabei, was unsere Sportart so besonders macht. 150 Minuten Dramatik – die Fans sind voll auf ihre Kosten gekommen. Man wird noch lange davon sprechen.“ Noch während der Rückfahrt im Mannschaftsbus habe er immer wieder Spielszenen im Kopf durchlebt – „wie ein Film, der nicht aufhören wollte“. Erst in den frühen Morgenstunden sei langsam Ruhe eingekehrt.

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Mit einer Quote von 33 Prozent an abgewehrten Würfen hatte Golub “Lubo” Doknic großen Anteil am Finaleinzug des Alpla HC Hard. GEPA

Auch sein eigener Moment wird unvergessen bleiben. Dass er als Werfer vorgesehen war, wusste er erst Sekunden vor dem Wurf: „ Hannes (Anm.: Jon Jonsson) hat mir nur gedeutet: ‚Nimmst du.‘ Und ich habe es getan. Ich war mir sicher, dass ich treffe – aber das Tor hätte nichts bedeutet, wenn ich danach nicht gehalten hätte.“ Es war nicht das erste Mal, dass Doknic im Siebenmeterwerfen traf: Schon 2005 bei Vardar Skopje und 2008 beim Coppa-Italia-Finale für Conversano war er erfolgreich.

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Nico Schnabl lieferte eine starke Leistung ab und hat das Vertrauen an den Finaleinzug selbst bei vergegbenen Siebenmeter in der Entscheidung nicht verloren. GEPA

Fast zum tragischen Helden wurde Kapitän Nico Schnabl. Im zweiten Durchgang des Siebenmeterwerfens scheiterte er beim dritten Versuch. Doch Youngster Lennio Sgonc behielt im 20. Siebenmeter die Nerven – und verwandelte den Matchball. „Ich habe keine Sekunde an die Auswirkungen meines Fehlwurfs gedacht“, erklärte Schnabl später. „In einem K.-o.-Spiel zählt jeder Wurf. Ich war voll mit Adrenalin – schon während der regulären Spielzeit habe ich mir eingeredet: Wir fahren mit dem Finalticket nach Hause. Zum Glück ist es so gekommen.“

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Ante Tokic erzielte im zweiten Halbfinalspiel insgesamt zwölf Tore. GEPA

Für die Harder endete diese epische Nacht erst am Mittwoch um 7.30 Uhr mit der Ankunft am Bodensee. „Der Körper war komplett ausgepumpt, aber der Kopf noch mitten im Spiel“, erzählte Schnabl. Wann er eingeschlafen ist, weiß er selbst nicht mehr. Die Erschöpfung sei enorm gewesen – aber ebenso die Erleichterung.

Nervenstark und kaltschnäuzig

Lennio Sgonc erlebte seinen großen Moment mit staunender Ruhe. „Ich habe mir keinen großen Druck gemacht. Ich wollte einfach zeigen, dass ich es kann. Nach dem Wurf war ich nur noch glücklich. Es war sicher eines meiner wichtigsten Tore – wenn nicht das wichtigste meiner Karriere.“ Besonders bemerkenswert: Sgonc hatte bis zu diesem Zeitpunkt keine einzige Sekunde Spielzeit erhalten – und lieferte in der nervenaufreibendsten Phase ab. Für den 19-Jährigen war es ein Moment, der in seiner jungen Karriere einen Meilenstein markiert: „Ich werde mich mein Leben lang an diesen ,Siebener‘ erinnern.“

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Lennio Sgonc zeigte sich in der Entscheidung nervenstark. GEPA

Auftakt mit Heimspiel

Unabhängig davon, ob in der am 30. Mai mit einem Heimspiel beginnende Best-of-three-Finalserie Krems oder Titelverteidiger Linz wartet: Die „Teufelsarena“ ist bereit für das nächste Drama. Die Chance auf die achte Meisterkrone in der Vereinsgeschichte lebt – und die Nacht von Wien wird in der rot-weiß-roten Handballwelt als Jahrhundertspiel in Erinnerung bleiben.
Noch offen ist, ob das Spiel ein juristisches Nachspiel hat. Die Fivers kündigten Protest an. Ihrer Ansicht nach kam es beim zweiten Siebenmeterwerfen zu einem Regelverstoß: Die Reihenfolge der Werfer sei laut ÖHB-Bestimmungen nicht korrekt eingehalten worden. Ein Protest ist bis Mittwoch, 24 Uhr, möglich. Allerdings ist laut Durchführungsbestimmungen fraglich, ob die Kritik Bestand hat: Demnach endet das Spiel im zweiten Siebenmeterwerfen, „wenn ein Unterschied nach Toren besteht, nachdem beide Mannschaften die gleiche Anzahl an Würfen haben“.

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Laut ÖHB-Bestimmungen wäre das zweite Siebenemeterwerfern bereits nach dem erfolgreichen Versuch von Tumi Runarsson entschieden gewesen.GEPA

Rein regeltechnisch hätte die Partie also schon nach dem Treffer von Tumi Runarsson zum 50:49 entschieden sein können – nachdem David Nigg zuvor gescheitert war. Eine genaue Analyse der TV-Bilder könnte hier endgültige Klarheit schaffen.

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Das Team des Alpla HC Hard feiebert bereits dem ersten Finalheimspiel am 30. Mai in eigener Halle entgegen. GEPA

Ob nun juristisch oder sportlich: Diese Nacht wird bleiben. In allen Köpfen. Und in der Geschichte der HLA-Meisterliga.