Wachablöse bei nationaler und internationaler Lufthoheit?

Kleine Ursachen mit großer Wirkung haben Bewegung in den ersten Wettkampfblock der Skispringer gebracht. Der Anzugskandal bei der WM war ein Imageschaden, nicht nur für die verursachenden Norweger, sondern für die Sportart insgesamt, und hat die Verantwortlichen aufgeweckt.
Die Kontrolleure wurden ausgetauscht, neue Regeln, vor allem aber ein offenbar treffsichereres Kontrollverfahren eingeführt. Es gibt neuerdings gelbe und rote Karten. Individuelle Tricksereien führen zu Sanktionen, allfällig auch für das gesamte Team. Die Streichung eines Quotenplatzes steht bedrohlich im Raum.
Und die Maßnahmen scheinen zu wirken. Es hagelt Disqualifikationen, und andere Gesichter drängen sich in die Top Ten und aufs Podium.
Die unsichtbare, auch aus materialtechnischen Gründen schwer überwindbare Schranke zwischen den nachrückenden Sportlern (“Zweiklassengesellschaft”) und dem Nationalteam wird durchlässiger. Mannschaftsinterne und internationale Kräfteverhältnisse geraten sichtbar in Bewegung. Solche Verschiebungen und Entwicklungssprünge sind nicht immer individuellen Formschwankungen zuzuordnen.
Die veränderten und offenbar wirksamer kontrollierten Regeln scheinen einiges auszulösen. Sogar für die rot-weiß-rote Erfolgsstaffel ist es vorübergehend vorbei mit dem coolen Schaulaufen. Wieder einmal hat das wetterwendige Flair der beneidenswerten Lockerheit im Springerdorf mit dem Erfolg den Container gewechselt. Diese Tournee wird zu einer ungewohnten Na(d)gelprobe.
Tschofenig etwa wirkt vor der Tournee wie ein Tennis-Grand-Slam-Sieger, der eine Vielzahl von Punkten für die Weltrangliste zu verteidigen hat, aber noch fieberhaft und ungeduldig nach seiner Vorjahresform sucht. Dabei wäre Daniel genau der Typ, dem die Anzugveränderung in die Karten spielen könnte. Dazu müsste er die Demut finden, sich an kleinen Lernschritten zu orientieren, statt sich unter Druck setzen und hetzen zu lassen.
Engere Anzüge, weniger “Flughaut” im Schritt, verlangen einen knackigen Absprung und Hub am Schanzentisch, also traditionelle Skisprungkompetenzen. Unsere Jungen Jonas Schuster und Stefan Embacher, die Deutschen Felix Hoffmann und Philipp Raimund, haben zuletzt in Engelberg ihre Visitenkarte genau mit diesen Kernqualitäten abgegeben. “Slimfitanzüge” und dadurch höhere Geschwindigkeit belohnen also einen satten Absprung, aber auch jene, die mit dem Körper gefühlvoll einen Tragflügel formen können. Einige Japaner, wie Ren Nikaido und Tournee-Gigant Kobayashi, zeigen, wie das geht.
Domen Prevc, “der Luftzauberer aus den Karawanken”, ist die unerklärliche, aber erfolgreiche Ausnahme von der Regel und ein großer Tourneefavorit.