AK-Heinzle will an Pensionsschraube drehen

Vorarlbergs AK fordert Pensionsreform, die jene Arbeitnehmer mehr bevorzugt, die am längsten Arbeiten und Beiträge einzahlen.
Feldkirch Dass das heimischen Pensionssystem trotz steigender Zahl an Pensionisten langfristig finanzierbar bleibt, steht für Experten in diesem Bereich so gut wie fest. Arbeiter und Angestellte zahlen sich ihre Pensionen nämlich zum überwiegenden Teil selbst, während der Staat hingegen für die Pensionen der Beamten, der Bauern und der Unternehmer tief in die Taschen greifen muss. Die AK Vorarlberg fordert vor diesem Hintergrund eine Pensionsreform, die jene mehr bevorzugt, die am längsten Arbeiten und Beiträge einzahlen.
Eine strikte Ablehnung kommt von AK-Präsident Bernhard Heinzle zur wiederholten Forderung nach einer automatischen Anhebung des Pensionsalters oder auch zur Einführung einer automatischen Pensionskürzung bei Anstieg der Lebenserwartung. Heinzle: „Was wir sehr wohl aber brauchen ist mehr Flexibilität und Beitragswahrheit. Wenn also der Staat der Meinung ist, weniger für die Pensionen seiner Bürger ausgeben zu wollen, dann soll er dort mit Reformen beginnen, wo der Steuerzuschuss am höchsten ist“.

Staatliches System hat sich bewährt
Tatsächlich hat sich das staatliche Pensionssystem in den letzten 20 Jahren bewährt. So konnte der Zuschussbedarf des Staates zu den Pensionen der Arbeitnehmer seit 2010 entgegen vieler Warnungen von Experten und trotz steigender Anzahl an Pensionisten sogar noch deutlich gesenkt werden. Den geringsten Zuschussbedarf gab es in den Jahren 2018 und 2019, als der Zuschussbedarf für die Arbeitnehmerpensionen mit 0,6 bzw. 0,28 Milliarden Euro auf einen historischen Tiefpunkt sank (Grafik). Sorgenkind neben den Beamten bleiben die Pensionen der Bauern, deren Defizit trotz sinkender Zahl an Pensionisten laufend steigt.

Flexibler Pensionseintritt zwischen 60 und 70
Statt an dem gesetzlich normierten Pensionsalter von 65 Jahren krampfhaft festzuhalten, obwohl nur wenige Versicherte bis dahin arbeiten können, wäre es AK-Präsident Heinzle “weit sinnvoller, einen Korridor zwischen 60 und 70 Jahren einzurichten, innerhalb dessen jeder Versicherte selbst entscheiden kann, wann er seine Pension antritt”. Gleichzeitig müsse über Abschläge bei einem Pensionsantritt vor dem Regelpensionsalter wie 65 bei Männern und 60 bei Frauen gewährleistet sein, dass Frühpensionierungen nicht auf Kosten der Steuerzahler gingen. „Unser erklärtes Ziel ist es angesichts des bestehenden Mangels an Facharbeitern, die Menschen länger im Erwerbsleben zu halten. Was wir nicht wollen, ist die Forderung der Unternehmer, bereits im Ruhestand befindliche Menschen wieder zurück in den Arbeitsmarkt zu holen“

Für längeres Arbeiten sollen laut AK Vorarlberg Anreize geschaffen werden. VN
Anreize für längeres Arbeiten
Das kann nach Ansicht der AK durch stärkere Anreize und mehr Flexibilität beim Pensionsantrittsalter erreicht werden. Der Vorschlag sieht vor, dass der jährliche Steigerungsbetrag für die ersten 40 Versicherungsjahre 1,75 Prozent beträgt. Wer aber länger als 40 Jahre arbeitet, soll mit einem jährlich um 0,25 Prozentpunkte höheren Steigerungsbetrag belohnt werden. “Damit würde nach 45 Jahren eine Pension von 82,5 Prozent der Bemessungsgrundlage erreicht werden. Im derzeitigen System sind es nur 80 Prozent.” Klar müsse aber laut Heinzle auch sein, dass ein Pensionsantritt unter 65 Jahren erst dann möglich sein könne, wenn die Pension zumindest die Höhe der Ausgleichszulage erreicht. Damit werde eine zusätzliche Belastung der Steuerzahler vermieden.
Neubewertung der Kindererziehung
Durch die Pensionsreformen 2003/04 wurde das soziale Pensionssystem stärker mit Versicherungselementen durchsetzt. Das hat mehr Gerechtigkeit in das System gebracht, aber gerade jene berufstätigen Frauen, in geringem Maße auch Männer, benachteiligt, die nach der Geburt ihrer Kinder im Anschluss an die Karenzzeit überwiegend teilzeitbeschäftigt sind. “Aus den geringen Bezügen aus diesen Jahren ergeben sich zum Pensionsantritt deshalb bei vielen Personen mit Kinderbetreuungspflichten trotz langjähriger Berufstätigkeit niedrige Pensionen. Das führt in absehbarer Zeit zu einer starken Zunahme von Altersarmut bei Frauen.” Deshalb fordert Heinzle für die an die Karenzzeit anschließende Teilzeitphase bis zum Ende der Elternteilzeitbeschäftigung einen deutlich erhöhten Steigerungsbetrag von zumindest 2,5 Prozent.
Schwerarbeitspension integrieren
Derzeit gäbe es für besonders belastende Arbeiten je nach Kollektivvertrag finanzielle Abgeltungen, die zum Teil auch steuerbegünstigt sind. Damit wird den Arbeitnehmern ein Teil ihrer durch die Arbeit verursachten Gesundheitsbelastung abgekauft. “Werden diese Arbeitnehmer in der Folge aufgrund der hohen gesundheitlichen Belastung arbeitsunfähig, dann muss die Solidargemeinschaft aller Beitragszahler für deren Absicherung aufkommen. Deshalb wäre es viel sinnvoller und auch gerechter, wenn Zulagen für Schwerarbeit künftig zumindest zur Hälfte in das einheitliche Pensionssystem einbezahlt werden müssten.” Das würde, so Heinzle, die Bemessungsgrundlage der Pension für die betroffenen Personen erhöhen und ihnen so einen früheren Pensionsantritt deutlich erleichtern. Diese auf dem Pensionskonto zu erfassenden Ansprüche sollten jedenfalls abschlagsfrei zur Auszahlung gelangen. “Damit könnten Betroffene entsprechend ihrer Lebensplanung und gesundheitlichen Belastbarkeit ab 60 ohne große finanzielle Einbußen in Pension gehen.”
Zeit reif für Zusatzpension
Derzeit kommt nur rund ein Viertel der Arbeitnehmer in den Genuss einer außerhalb des staatlichen Pensionssystems finanzierten Zusatzpension. Während es diese Möglichkeit der Zusatzpension im Bereich des öffentlichen Dienstes fast durchgehend gibt, stellt die Mitgliedschaft bei einer überbetrieblichen oder betrieblichen Pensionskasse im Bereich der Privatwirtschaft immer noch eine Ausnahme dar. “Aus betrieblicher Sicht könnte die Zusatzpension angesichts fehlender Arbeitskräfte ein attraktives Modell zur Mitarbeiterbindung darstellen. Für die Arbeitnehmer läge der Vorteil in einer besseren Absicherung im Alter.” Heinzle fordert deshalb eine gesetzliche Verpflichtung, “dass für jeden Arbeitnehmer 0,5 Prozent des Bruttolohnes in eine der fünf heimischen, überbetrieblichen Pensionskassen einbezahlt werden müssen”.

Für AK Vorarlberg ist die Zeit reif für eine Zusatzpension. VN
Die AK Vorarlberg hat übrigens bereits im Zusammenhang mit der Schaffung des neuen Abfertigungssystems die Forderung nach einem sanften Einstieg in die zweite Säule der Altersversorgung erhoben. Gescheitert sind diese Vorschläge damals an ideologischen Bedenken der SPÖ. “Wir sind aber zuversichtlich, dass jetzt, 25 Jahre später, vielleicht auch in der SPÖ schön langsam die Erkenntnis gereift ist, dass sich alle Arbeitnehmer eine Zusatzpension verdienen würden.”
Mit einer an die Erwerbstätigkeit gebundenen, beitragsorientierten Zusatzpension kann auch der fatalen Entwicklung begegnet werden, die sich seit Jahren aufgrund der überdurchschnittlichen Erhöhungen der Richtsätze zur Ausgleichszulage ergeben hat.
Gewisses Risiko bleibt
Wie bei jeder Veranlagung am Kapitalmarkt sei auch eine kapitalgedeckte Zusatzpension mit einem gewissen Risiko behaftet. Allerdings würden die Daten der bereits bestehenden Pensionskassen trotz zum Teil schwieriger wirtschaftlicher Jahre im Zeitraum von 1997 bis 2022 eine durchschnittliche Rendite von 3,5 Prozent pro Jahr aufzeigen. Heinzle: “Dass Pensionskassen in anderen EU-Ländern zum Teil deutlich bessere Renditen erwirtschaften, liegt an den hohen Gebühren und Verwaltungskosten unserer Pensionskassen. Hier sollte der Gesetzgeber klare Vorgaben machen, damit möglichst viel der Beiträge in die Veranlagung und nicht in die Verwaltungsstrukturen der Pensionskassen fließen.”