Ein Zeitzeuge in Sachen Textilwirtschaft

Arbeiterkammer stellt im “Museum des Wandels” den Sockenmacher Günter Taucher vor.
Feldkirch “Als ich mit der Lehre fertig war, ist es mit der Textilwirtschaft schon abwärts gegangen, bald darauf rapide”, berichtete der Strick- und Wirkwarenerzeuger Günter Taucher im Gespräch mit “Museum des Wandels”-Kuratorin Michaela Feurstein-Prasser. Dabei hatten ihm bei Lehrbeginn Menschen aus seiner Umgebung prophezeit, dass er bei der im Jahr 1982 noch 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigenden Firma Kunert in Pension gehen könne.

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Als Lehrling hatte er ein Erlebnis mit dem Leiter des Werks, dessen für ihn prägende Bedeutung ihm erst im Lauf der Jahre klar geworden ist: “Hast du ein Problem?”, hat ihn der oberste Vorgesetzte gefragt, als er sich mit einer nicht richtig funktionierenden Maschine abmühte, gleich die Ärmel seines weißen Hemdes hochgekrempelt und sich die Hände schmutzig gemacht. “Der hat mich als Mensch gesehen”, ist Taucher heute noch begeistert. Er war später selber in Führungspositionen tätig und findet es wichtig, “nie zu vergessen, wo man herkommt”. Man müsse sich mit den Leuten auseinandersetzen, mit ihnen einen Kaffee trinken und ihnen zuhören. Anders als bei Rohner in der Schweiz, wo der Führungsstil der Vorgesetzten militärisch und ein Kulturschock war, der Vorarlberger aber in zwanzig Jahren viel gelernt hat.

Bei der Entscheidung für Kunert gab dessen Werksverkehr den Ausschlag: “Sonst hätte ich jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit müssen”, erinnerte sich der seit langem leidenschaftliche Textiler. In der Berufsschule saßen fünf männliche Strick- und Wirkwarenerzeuger-Lehrlinge mit mehr als zwanzig Damenkleidermacherinnen in einer Klasse und fühlten sich ausgesprochen wohl dabei. Er hatte eine “Mehrfachausbildung”, lernte die Arbeit mit Maschinen und mit Materialien. Heute arbeitet er mit den alten, rein mechanischen Maschinen und mit den neuen elektronischen. Das Kennen der Funktionsweise der ersteren sei für den Umgang mit den zweiteren hilfreich.

Es sei nach wie vor ein sehr spannender Beruf, auch durch technische Textilien, erklärte Taucher bei der Eröffnung der Ausstellung auf die Frage der Kuratorin, ob er ihn heute noch einem jungen Menschen empfehlen würde. Allerdings müsse man bereit sein, von Vorarlberg wegzugehen, und das wolle halt nicht jeder. Er lernt heute noch dazu, beschäftigt sich mit der Lösung einer Herausforderung etwa durchs Ansehen von Strickvideos auch in seiner Freizeit. “Sein Beruf ist sein Hobby”, rief Sohn Jeremias Stroß aus der Zuhörerschaft. Ihn hat Günter Taucher schon seit jeher zur Arbeit mitgenommen, er ist auch sein “bester und kritischster Tester”.

Tester für die speziellen, ganz anderen Socken, zu deren Entwicklung ihn 2010 Wieland Kinz angeregt und die zehn Jahre gedauert hat. Die in Vorarlberg entwickelten, produzierten, verpackten und versendeten “Plus12Socks” nehmen darauf Rücksicht, dass der große Zeh gerader gewachsen ist als die anderen. “Die Leute haben alle falsche, zu kleine Socken an, die Zehen sollen frei sein, die Leute sich wohlfühlen”, erklärt Taucher das Prinzip der ursprünglich nur für Kinder entwickelten Kleidungsstücke. AME




