Harald Walser

Kommentar

Harald Walser

Kommentar: Sittenwidriger Einsatz!

07.08.2025 • 15:15 Uhr

Der unsägliche Polizei-Einsatz gegen ein vom „Klub Slowenischer Studierender“ organisiertes Camp auf der NS-Gedenkstätte Peršmanhof in der Gemeinde Bad Eisenkappel/Železna Kapla hat international Aufsehen erregt. Die von der Exekutive tagelang vorbereitete Aktion mit Hubschrauber, Drohne, Polizeihund und einer Spezialeinheit hat zu diplomatischen Spannungen mit Slowenien und Berichterstattung in vielen ausländischen Medien geführt: Österreichs braune Vergangenheit war wieder einmal Thema.

Ende April 1945 wurden hier im Süden von Kärnten/Koroška nur wenige Tage vor Kriegsende elf unschuldige Menschen – darunter sieben Kinder, das jüngste gerade einmal ein Jahr alt – von einer SS-Polizeieinheit erschossen. Die Opfer gehörten der von den Nazis verfolgten slowenischen Minderheit an. Ihre Nachfahren zeigten sich entsetzt: Nach fast genau 80 Jahren würden nun wieder „alte Wunden“ aufgerissen.

Ganz abgesehen von der indiskutablen Aktion an sich: Auch das im Staatsvertrag verbriefte Recht der Teilnehmer auf Kommunikation in slowenischer Sprache wurde von den Beamten missachtet.

Bis heute ist angeblich unklar, wer den Einsatz am vorletzten Sonntag befohlen hat. Angeblicher Grund: Campingverordnung und Naturschutzrecht seien missachtet worden. Dabei hatte die Gedenkstätte das Zelten erlaubt. Den Vogel abgeschossen hat der Leiter des Landesamts für Staatsschutz (!) und Extremismusbekämpfung: Das Bildungscamp stelle einen „sittenwidrigen Umgang“ mit der Gedenkstätte dar. Die Museumsleitung unterstützt das Camp und der Staatsschutz beurteilt die Veranstaltung als „sittenwidrig“?

Fast gleichzeitig fand in Wien eine Demonstration mit internationalen Rechtsextremisten statt, mit dabei an vorderster Front parlamentarische Mitarbeiter der FPÖ. Festnahmen gab es nur unter den Gegendemonstranten, obwohl eine 50-köpfige Neonazi-Gruppe „Ausländer raus, Deutschland den Deutschen“ skandierend nach der Demo in der U-Bahn zwei junge Männer verprügelte und anschließend auf die Straße jagte. Solche Ausschreitungen gibt es in Wien nach rechtsextremen Demonstrationen regelmäßig. Wo bleibt da die Polizei?

Von den Regierenden in Kärnten und der Republik gab es nur hauchzarte Kritik an der versuchten Einschüchterung antifaschistischer Jugendlicher am Peršmanhof. Immerhin aber hat sich die Zivilgesellschaft deutlich zu Wort gemeldet – von der Katholischen Aktion bis zur Wissenschaft. Das bis heute andauernde dröhnende Schweigen des politisch verantwortlichen Innenministers ist inakzeptabel.

Österreich wurde 1945 auf antifaschistischer Grundlage wiedererrichtet. Um das zu betonen, wurden unserem Staatswappen, dem Symbol der Republik, als Hinweis auf die Befreiung vom Nationalsozialismus die gesprengten Ketten hinzugefügt. Das zu ignorieren ist rechts- und sittenwidrig – und nicht ein friedliches antifaschistisches Bildungscamp!

Harald Walser ist Historiker, ­ehemaliger Abgeordneter zum ­Nationalrat (Die Grünen) und AHS-Direktor.