Wolfgang Burtscher

Kommentar

Wolfgang Burtscher

Kommentar: Weggle und Füferle

Politik / 28.07.2025 • 08:24 Uhr

Die liechtensteinische Regierungschefin Brigitte Haas hat sich gerade mehrfach für den Ausbau des Öffi-Verkehrs mit Vorarlberg ausgesprochen. Kling gut, vor allem vor dem Hintergrund, dass täglich 8700 Grenzgänger aus Vorarlberg nach Liechtenstein wechseln. Mit den bekannten Stauerscheinungen – auf beiden Seiten der Grenze. Es ist aber eine reine Alibi-Aktion, solange Frau Haas nicht die Bevölkerung ihres Landes hinter sich hat. Denn im Ablehnen grenzüberschreitender Verkehrslösungen sind die Liechtensteiner von einer Sturheit, die ihresgleichen sucht. Motto: „Heiliger Sankt Florian, verschon‘ mein Haus, zünd s`andere an“.

Alle Pläne einer Anbindung der Umfahrung Feldkirch, vom Letze- bis zum Stadttunnel, wurden von Liechtenstein abgelehnt, mit der – nachvollziehbaren – Begründung einer Mehrbelastung in den Orten Schaanwald und Nendeln. Weniger nachvollziehbar: Die Anbindung sei einseitiges österreichisches Interesse. Als ob nicht die Vorarlberger Grenzgänger ein wichtiger Faktor für die FL-Wirtschaft wären. Man will halt s´Weggle und s`Füferle, also alle Vorteile ohne Nachteile. Statt der Straßenverbindung propagierte Liechtenstein den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Also einigte man sich mit Österreich und der Schweiz auf das Projekt F-L-A-CH, später „S-Bahn Liechtenstein“, ein grenzüberschreitendes Bahnprojekt mit einer leistungsfähigen Schienenverbindung zwischen Feldkirch und Buchs. Mit einer Modernisierung der Bahnstrecke und verbesserter Taktverdichtung. Kosten für Liechtenstein: 122 Millionen Franken. Die Regierung hatte eine Mitfinanzierung von 66 Millionen Franken zugesagt (Österreich hätte den Rest getragen), aber offenbar die Stimmung in der Bevölkerung falsch eingeschätzt. Mit 62,3 Prozent Nein-Stimmen wurde das Projekt bei einer Volksabstimmung verworfen, obwohl die Wirtschaftsverbände des Fürstentums und auch der Fürst das Projekt unterstützt hatten.  Die Kosten seien unverantwortlich hoch, es gebe Zweifel am wirtschaftlichen Nutzen. Entsprechend frustriert waren die Reaktionen in Vorarlberg („Rückschritt für die Region und eine verpasste Verkehrswende“).

Das Stimmverhalten bei Volksabstimmungen im Fürstentum ist oft schwer nachvollziehbar. Erinnert sei daran, dass Liechtensteins Männer in den Jahren 1971 und 1973, zum Teil mit deutlicher Mehrheit, das Frauenstimmrecht abgelehnt hatten. Der Widerstand war tief verwurzelt, geprägt durch patriarchale gesellschaftliche Strukturen, konservative Frauenbilder und Ängste vor dem Einfluss eingeheirateter Ausländerinnen. Erst 1984 billigten sie den Frauen das Stimmrecht zu, mit knapper Mehrheit.  Liechtenstein war damals das letzte Land in Europa, das das Frauenwahlrecht umgesetzt hat. Andere Abstimmungen: Ob eine Photovoltaik-Pflicht auf Nichtwohngebäuden (67 Prozent dagegen), bessere Energie-Effizienz auf Gebäuden (65 Prozent), eine Direktwahl der Regierung durch das Volk (68 Prozent) oder eine Finanzierung des Landessenders Radio L (nur 45 Prozent dafür).

Nun liegt die S-Bahn auf Eis und ist weiterhin eingleisig. Bis 2027 wollen die ÖBB immerhin eine Haltestellen-Modernisierung, Lärmschutz und andere Verbesserungen für über 160 Millionen Euro fertigstellen. Für ein vollständiges S-Bahn-Angebot mit Halbstundentakt und Doppelspur fehlt es an der politischen und finanziellen Zusammenarbeit mit Liechtenstein (und der Schweiz). Hier wäre also Frau Haas gefordert. Ihr Vorschlag eines Tarif-Verbunds, der es einfacher mache, durch alle drei Länder zu reisen, ist lieb und nett, wird aber nicht genügen.

Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landes­direktor, lebt in Feldkirch.