Viel Arbeit mit den Zellpiraten

Med Konkret informierte über Krankenhaushygiene und Infektionsvorsorge.
Feldkirch Es waren spannende Einblicke, die Hygieneexperten den Med-Konkret-Interessierten in ihren Arbeitsalltag boten. Oberärztin Gabriele Hartmann, Leiterin des Instituts für Krankenhaushygiene und Infektionsvorsorge im LKH Feldkirch, sowie ihr Stellvertreter Hans Hirschmann betonten in ihren Vorträgen immer wieder die Wichtigkeit von Hygienemaßnahmen, um der Pandemie Herr zu werden. Auch im Spitalsbereich sorgte das Coronavirus für zusätzliche Arbeit. Alles, was erforderlich ist, um Infektionen in den Krankenhäusern zu vermeiden, ist in einem ständig aktuellen Hygieneplan festgeschrieben, den alle Mitarbeitenden über das hauseigene Intranet jederzeit abrufen können.
Adaptierte Notfallpläne
Mit der Adaptierung der Notfallpläne wurde laut Hans Hirschmann bereits zu Beginn des Jahres 2020 begonnen. „Wir haben uns fast nur noch mit dem Coronavirus beschäftigt“, erzählte er. Daneben mussten die Arbeiten zur Bekämpfung anderer Viren und Bakterien weiterlaufen, wobei beim Coronavirus auch auf genau diese Erfahrungen zurückgegriffen werden konnte. Wichtig sei es gewesen, den Beschäftigten ein gutes Wissen über das Virus und die Maßnahmen, die schützen, zu bieten. Inzwischen steht bereits die 15. Version der Information bereit. Hans Hirschmann erläuterte unter anderem auch, warum die vieldiskutierten FFP2-Masken für die Normalbevölkerung von Bedeutung sind, wo es doch lange sogenannte chirurgische und andere Masken auch taten. „Chirurgische Masken liegen nicht so eng an. Deshalb können etwa beim Sprechen Tröpfchen entweichen“, erklärte er.
FFP2-Masken hingegen erfüllen den Anspruch, dicht zu sein. Dass Gesichtsvisiere ebenfalls verboten wurden, begrüßt Hirschmann. „Sie verfügen über keinerlei Schutzwirkung“, stellte der Experte klar. Oberärztin Gabriele Hartmann versuchte, Licht in die Frage zu bringen, ab wann Sars-Cov-2-Infizierte ansteckend sind: „Das kann schon zwei bis drei Tage vor Beginn der Symptome sein.“ Allerdings kommt es auch auf die Höhe der Viruslast an. Die Infektionsdauer gab Hartmann mit durchschnittlich acht bis neun Tagen an. Rund 80 Prozent der Covid-19-Erkrankungen nehmen den Erfahrungen der Institutsleiterin zufolge glücklicherweise einen leichten Verlauf. Sie berichtete außerdem, dass 10 bis 15 Prozent aller Erkrankungen im Winter durch verschiedenste Verwandte des Coronavirus verursacht werden. Das nun grassierende Coronavirus wurde übrigens erstmals 1960 beim Menschen beschrieben.
Gabriele Hartmann bezeichnete Coronaviren als Zellpiraten, weil sie ihr Erbgut in fremde Zellen einschleusen, um sich auf diese Weise zu vermehren. Die befallenen Zellen gehen zugrunde, was zu Entzündungen und Fieber führt. Bei Covid-19 kann das in eine schwere Lungenentzündung ausarten.
Das Institut für Krankenhaushygiene und Infektionsvorsorge gibt es seit über zehn Jahren. Sein, auch gesetzlich verankerter, Auftrag ist das Erkennen, Überwachen, Verhüten und Bekämpfen von Infektionskrankheiten. So werden etwa ausgewählte Operationen ebenso überwacht wie die Patienten, um zu schauen, ob Infektionen aufgetreten sind. Die Zahlen werden mit internationalen Daten verglichen. Dieser Vergleich macht laut Hans Hirschmann sicher: „Es kommt in unseren Spitälern selten vor, dass Handlungsbedarf besteht.“
Fragen der Zuseher:
Werden wir uns künftig jedes Jahr überlegen müssen, ob wir uns gegen Grippe oder Covid-19 impfen lassen sollen?
Hartmann: Wir werden Impfungen wiederholen müssen, weil es schon Virusvariationen gibt, aber nachdem Coronaviren nicht so viel mutieren wie Influenzaviren, kann es sein, dass man die Impfung beispielsweise nur alle zwei Jahre wiederholen muss.
Wie sicher bzw. sinnvoll sind Plexiglas-Abtrennungen, wenn die Person dahinter keine Maske trägt?
Hirschmann: Diese Abtrennungen sind sehr sinnvoll, wenn sie groß genug sind. Es handelt sich um einen sehr sicheren Schutz gegen die Tröpfcheninfektion, er wird auch bei uns im Krankenhaus im Anmeldebereich angewendet. Wir kennen diese Abtrennungen auch aus dem öffentlichen Verkehr.
Haben Sie aufgrund von Covid-19 zusätzliche Maßnahmen in der Reinigung ergriffen bzw. gab es Änderungen in den Reinigungsplänen?
Hirschmann: Wir mussten schon vorher entsprechende Infektionsmittel verwenden, um auch Übertragungen von anderen Krankheitserregern zu verhindern. Coronaviren sind in Bezug auf die Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln keine besonders große Herausforderung. Das heißt, die Mittel, die bereits ausreichend waren, sind auch ausreichend für die Coronaviren. Deswegen mussten wir in diesem Zusammenhang auch Pläne nicht umschreiben.
Was macht ein gutes Desinfektionsmittel aus?
Hirschmann: Es braucht einen hochprozentigen Alkohol, 70-prozentigen Industriealkohol oder 80-prozentigen Trinkalkohol, um eine entsprechende Händedesinfektion durchzuführen. Es gibt Mittel mit Chlorbestandteilen, die sind aber eher auf der homöopathischen Seite und haben mit definierter Wirksamkeit gegen Krankheitserreger nicht allzu viel zu tun.
Kann es wirklich sein, dass es heuer keine Influenzafälle gibt?
Hartmann: Ja, denn bei der Grippe ist schon eine gewisse Grundimmunität da, und da reichen die Hygienemaßnahmen aus, dass sich die Grippe nicht ausbreitet. Beim Coronavirus gibt es diese Grundimmunität noch nicht, deshalb verbreiten sich die Infektionen leichter.
Warum sollen Covid-19-Genesene noch geimpft werden?
Hartmann: Es kann sein, dass Betroffene nur eine leichte Infektion hatten und nur über wenige Antikörper verfügen. Diese reichen sicher sechs Monate aus, ob sie länger halten, weiß man noch nicht. Es kann sein, dass sie sich mit der Zeit verlieren. Mit der Aufimpfung schafft man es, dass viel mehr Antikörper gebildet werden. Es wird jetzt schon diskutiert, dass man diese Personengruppe vielleicht nicht zweimal impfen muss, aber dafür fehlen noch die Studien.
Gibt es bereits Erfahrungen mit Re-Infektionen?
Hartmann: Weltweit gibt es einzelne Berichte. Es gibt vor allem Berichte von Patienten, die sich im März und April infiziert haben. Die meisten Re-Infektionen verliefen in leichter Form. Die vorangegangenen Impfungen scheinen da schon einen gewissen Schutz zu bieten.
Wie hat sich die Zahl der Sterbefälle in den Spitälern aufgrund von multiresistenten Bakterien 2020 entwickelt?
Hartmann: Generell kann ich sagen, dass bei uns wenige Patienten an multiresistenten Bakterien sterben. Meistens sind es schwer kranke Personen, die lange Antibiotikatherapien benötigten. Ich würde die Zahl maximal mit zwei bis drei pro Jahr, wenn überhaupt, beziffern. Meistens spielen aber noch andere Faktoren eine Rolle. Dass einer hereinkommt mit der Infektion, der sonst kaum Erkrankungen hat, das gibt es eigentlich nicht.