Thomas Matt

Kommentar

Thomas Matt

Ein Verlust

VN / 18.04.2023 • 14:00 Uhr

Es geht so schnell. Gestern schallt Gelächter durch die Wirtsstube, heute ragen verkohlte Bohlen in den Regen. Eine kleine Unachtsamkeit, ein Nickerchen – wer weiß schon, was den Ausschlag gab? In wenigen Stunden geht die Geschichte des Bregenzer Gasthofs Schendlingen in Flammen und Rauch auf. Ein Wunder, dass niemand ärger zu Schaden kam. Ein Wunder, das die freiwillige Feuerwehr gewirkt hat. Ein Wohnblock steht gleich nebenan.

Anderntags fällt der Regen durchs Dachgerippe der Brandruine und die Meinungen der Usergemeinde prasseln ins Internet. Sie zeugen mit wenigen Ausnahmen von bescheidenem Intellekt und legen offen, was Menschen so von sich geben, wenn ihnen an einem regenverhangenen Sonntag fad ist. Da kann man Beschuldigungen lesen und absurde Theorien. Kaum einer fragt sich, wie es dem Wirt und den Beschäftigten geht. Was an sozialer Kompetenz in diesem alten Gasthaus in der Vorstadt zuhause war, sucht man in den wütend abgesonderten Zeilen vergebens.

Dabei hat das Schendlingen mit seinem alten Kastaniengarten vielen Menschen nichts weniger als ein Stück Zuhause ersetzt. Hier wurden sie mit einem Scherz empfangen und einem Schulterklopfen verabschiedet. Manchmal ging es hoch her. Aber die Weltlage verliert auf dem Grunde eines Bierglases betrachtet eben ihren Schrecken. Und so büßt Bregenz einen besonderen Ort ein, den weder eine Wohnanlage noch die hippste Fußgängerzone ersetzen mögen.