Es liegt in unserer Hand
78 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verabreden wir uns zum Grillen am See. Aber es steigt schon eine Rauchsäule auf vom Grillplatz. Also woanders hingehen? Aber wo, „Muhi“ sagt: „Kommt nur, wir sind schon fertig.“ Dann klaubt er ein paar halbwegs trockene Äste aus der Umgebung und schürt die Glut wieder an. Für die Neuankömmlinge, die er gar nicht kennt.
Der „Muhi“ heißt eigentlich Mohammed und kommt aus dem Herzen der Türkei. Sein kleiner Sohn möchte so gerne Karatekämpfer werden. Die Tochter neckt den Schwan. Ein paar Fußballer laufen nach geschlagenem Match verschwitzt vorbei und hatschen ins eiskalte Wasser. Der Rest ist Prusten und Spritzen und Lachen. Dazwischen hört man ein paar Brocken Kroatisch und Serbisch und anderes.
78 Jahre, nachdem eine Ideologie aufgeben musste, die alles Fremde, Nicht-Arische zum Feind erklärt hatte und ein ganzes Volk auszurotten suchte, in deren Uniform auch Bregenzer im Kaukasus und – Gott allein, weiß wo überall – letztendlich elend verreckt sind, teilen sich Menschen aus aller Herren Länder so selbstverständlich das Bodenseeufer, dass es eine Freude ist. Also waren die vergangenen 78 Jahre eine Erfolgsgeschichte? Ja, so betrachtet schon. Und werden die kommenden 78 Jahre auch eine sein? Da fährt unversehens ein kalter Wind vom See übers Land und lässt uns frösteln. Es hängt an uns, einzig an uns.
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