Arbeit am Feiertag
Er steht auf dem Bühel und mäht mit der Sense das fette Gras. Ausflügler radeln vorbei, Rennradler zirkeln zwischen ihnen hindurch. Manche ringen ihren E-Bikes alles ab. Pfingstmontag, noch ein freier Tag und dazu Kaiserwetter – was für ein Geschenk!
Er dürfte an die siebzig Jahre alt sein. Die Pensionisten, die vorbei strampeln, sind wohl jünger, aber sie haben nicht annähernd seine Vitalität. Seine Jeans hat Risse, aber nicht die modischen. Dazu trägt er ein weißes Leinenhemd. Die hochgekrempelten Ärmel geben sehnige, braungebrannte Arme frei und Hände, die zupacken können. Wenn er mit dem Schleifstein das Sensenblatt entlangfährt, werden seine Augen ganz klein. Das ist nicht ungefährlich. Aber jede Bewegung sitzt. Er geht mit Respekt ans Werk. Zwei Touristen rufen ihn an. Er legt die Sense zu Boden und gibt bereitwillig Auskunft. Wo man hier gut essen kann, in Au, im Hinteren Bregenzerwald? Er empfiehlt „a Wirtschaft“ im Dorf, schaut den schwitzenden Freizeitsportlern noch ein wenig nach, dann kehrt er zu seiner Arbeit zurück.
Arbeiten am Feiertag? Er würde das Fragezeichen nicht verstehen. Das Gras steht kniehoch. Es muss jetzt geschnitten werden. Das Gras weiß nichts vom Feiertag. Es will gemäht und dann gewendet werden, und so wird es Heu, und Kühe werden daran satt. So einfach ist das. Heute Abend aber, wenn die Bürohengste noch rasch ihre E-Mails checken, bevor es morgen wieder los geht, wird er seine Augen auf den abgemähten Wiesen weiden lassen.
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