Polizisten fotografiert: „Lasst dieses Bild um die Welt gehen“

VN / 07.08.2023 • 14:03 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Bei der Anti-Corona-Demonstration in Innsbruck kam es zu einem denkwürdigen Vorfall. <span class="copyright">apa/zeitungsfoto.at</span>
Bei der Anti-Corona-Demonstration in Innsbruck kam es zu einem denkwürdigen Vorfall. apa/zeitungsfoto.at

Weshalb ein Vorarlberger Bezirksinspektor eine Frühpensionistin (52) bei der Staatsanwaltschaft anzeigte.

Feldkirch Beim Blick in die sozialen Medien platzte einem Beamten einer Polizeiinspektion im Vorarlberger Unterland der Kragen: Erkannte er dabei doch sein eigenes Konterfei in einem Posting, und zwar mit Begleittext: „Ein 82-jähriger unschuldiger Mann wurde zu Boden gerissen, verhaftet und stundenlang verhört. Lasst dieses Bild um die Welt gehen.“

Geschehen angeblich bei einer Corona-Demo in Innbruck, bei welcher der Vorarlberger Polizist im Einsatz war. Zwar trug er eine Schutzmaske, dennoch war sein Gesicht deutlich zu erkennen. Die 52-jährige Demo-Teilnehmerin, ebenfalls aus Vorarlberg, hatte den Beamten fotografiert und in den sozialen Medien gepostet. Ihn also damit einer breiten Öffentlichkeit „vorgeführt.“

Beim Prozess nicht erschienen

Das brachte der Frühpensionistin eine Klage wegen am Landesgericht Feldkirch ein. Weil sie den Beamten laut Staatsanwaltschaft eines „unehrenhaften und gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt hatte.“ Üble Nachrede nach dem Mediengesetz also.

Doch beim Verhandlungstermin am Landesgericht Feldkirch glänzt die Angeklagte durch Abwesenheit. Richter Martin Mitteregger zieht den Prozess dennoch durch.

Richter Martin Mitteregger führte die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten durch. <span class="copyright">Hofmeister</span>
Richter Martin Mitteregger führte die Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten durch. Hofmeister

“Dachte mir nichts dabei”

Denn schon bei einer ersten Vernehmung hatte die 52-Jährige ein Geständnis zu Protokoll gegeben, wörtlich: „Wenn das von mir gepostet worden ist, werde ich das schon gemacht haben. Ich dachte mir nichts dabei“, so ihre lapidare Äußerung.

Nun hat die Frau bereits einige Vorstrafen aus früheren Zeiten auf dem Kerbholz, es ging um Vermögensdelikte. Doch ihr Geständnis und der Umstand, dass sie sich seit längerer Zeit wohl verhalten hatte, bringt ihr lediglich eine Geldstrafe ein.

800 Euro Geldstrafe

Die Beschuldigte wird in Abwesenheit zu im Sinne der Anklage zu einer unbedingten Geldstrafe in der Höhe von 200 Tagessätzen zu je vier Euro, also insgesamt 800 Euro, verurteilt. Außerdem wird sie noch zu einem Entschädigungsbeitrag in der Höhe von 400 Euro verdonnert. Das Urteil wird in den nächsten Tagen in den Briefkasten der Unterländerin flattern. Dann kann sie sich überlegen, ob sie die Entscheidung bekämpft oder nicht.

Bundesweit wehren sich Polizisten, die Corona-Demos überwachten, gegen Anschuldigungen über die sozialen Medien. <span class="copyright">apa/zeitungsfoto.at</span>
Bundesweit wehren sich Polizisten, die Corona-Demos überwachten, gegen Anschuldigungen über die sozialen Medien. apa/zeitungsfoto.at

Prozesslawine in Österreich

Der hier beschriebene Fall des Vorarlberger Polizisten reiht sich in eine Vielzahl von gleichartigen Prozessen in ganz Österreich ein.  Es sind zwei über Facebook verbreitete Sätze und das Foto eines Polizisten, die bundesweit eine wahre Prozesslawine ausgelöst haben. „Lasst dieses Gesicht des Polizisten um die Welt gehen. Dieser Polizist eskalierte bei einer Demo in Innsbruck. Ein 82-jähriger unschuldiger Mann wurde zu Boden gerissen, verhaftet und stundenlang verhört“, schrieb eine Userin – und Tausende teilten das Posting. Der auf dem Bild zu sehende Mann war tatsächlich bei der besagten Demonstration im Einsatz. Ein ebenfalls kursierendes Video zeigt jedoch keinerlei aggressives Verhalten des Beamten, der deshalb nun in die Gegenoffensive ging.

Verstoß gegen das Mediengesetz

Einerseits strafrechtlich, weil die fälschliche Beschuldigung den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllt. Viele solcher Prozesse haben österreichweit bereits stattgefunden und sind anstelle eines Urteils mit einer Diversion – also der Zahlung einer eher geringen Summe von rund 100 Euro pro Fall – zu Ende gegangen. Doch der Beamte will auch eine Entschädigung nach dem Mediengesetz. Am Landesgericht Wiener Neustadt fanden die ersten derartigen Verfahren statt. Weil die Unschuldsvermutung durch die Vorverurteilung auf Facebook verletzt wurde, müssen die geklagten User jeweils geringe dreistellige Eurobeträge an den Mann überweisen.

Dann war da noch der Fall eines Kärntner Polizisten, der im Februar 2021 ebenfalls bei einer Anti-Corona-Demo in Innsbruck im Einsatz war. Nach der untersagten Demo kursierte auch von ihm plötzlich ein Bild samt Text von ihm in den sozialen Netzwerken. Und auch ihm wurde vorgeworfen, bei der Verhaftung eines 82-Jährigen beteiligt gewesen zu sein, der “zu Boden gerissen, verhaftet und stundenlang verhört” worden sei.

1500 Anzeigen

Ein Unbekannter filmte den Vorfall und stellte den Clip ins Internet, dort wurde es mehr als 1500 Mal geteilt. Darunter fanden sich Kommentare wie “Weg mit dem Scheiß-Polizisten” oder “Feige Sau”. Zu Unrecht: Denn der 32-Jährige stand einige Meter entfernt, war in besagte Amtshandlung gar nicht direkt involviert. Der Beamte erstattete 1500 Anzeigen.