Strengere Regeln oder nicht gefährlicher als andere? Kontroverse Diskussion um Listenhunde

Nach dem tödlichen Angriff in Oberösterreich flammt im ganzen Land eine Debatte auf.
Darum geht’s:
- Mehrere Stimmen fordern strengere Regelungen für Kampfhundbesitzer
- Hochrechnungen zeigen jedes Jahr Tausende von Hundebissopfern
- Hundetrainer plädiert für individualisierte Maßnahmen anstelle von Listen
Dornbirn, Schwarzach Der Schock sitzt tief: Am Montag hat in Oberösterreich ein American Staffordshire Terrier eine Joggerin (60) angegriffen und tödlich verletzt. Die Reaktionen darauf fallen ganz unterschiedlich aus. Während die einen strengere Regeln fordern, sehen die anderen vor allem die Hundehalter in der Pflicht.
“Niemand kann Geschehenes ungeschehen machen, aber die jüngsten Vorfälle sollten die Entscheidungsträger wachrütteln, damit endlich in allen Bundesländern strenge Regelungen für Kampfhundebesitzer beschlossen werden”, sagt Johanna Trauner-Karner, Leiterin des Bereichs Freizeitsicherheit im Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV). “Eine typische Begleitmaßnahme bei der Einführung von Listen für Kampfhunde ist nämlich die Bestimmung, dass Kampfhunde im Gegensatz zu normalen Hunden immer einen Beißkorb tragen und an der Leine geführt werden müssen.”

Erschreckende Hochrechnungen
Laut KFV zeigen Hochrechnungen, dass jedes Jahr 3000 bis 4000 Menschen durch Hundebisse so schwer verletzt werden, dass sie ins Krankenhaus müssen – darunter rund 800 Kinder. Auffällig sei eine Häufung dramatischer Fälle in Oberösterreich. Bei der letzten großen Änderung des Hundehalterechts 2021 habe sich die Politik in Oberösterreich gegen eine strenge Regelung für Kampfhunde entschieden, berichtet der KFV. “Eine fatale Fehleinschätzung.”
Aus Sicht des österreichischen Kynologenverbandes (ÖKV) ist die aktuelle rechtliche Situation ausreichend. Es gebe Sachkundenachweise, erweiterte Sachkundenachweise, Leinen- und/oder Maulkorbpflicht und als letztes Mittel die Abnahme eines Hundes oder ein Hundehalteverbot. “Auch in Oberösterreich müssen Hundehalter einen Sachkundevortrag besuchen und mit schriftlicher Prüfung positiv absolvieren.”
Das sagt der Hundetrainer
Eine differenzierte Sichtweise auf die Thematik hat Patrick Waltenberger. Er ist seit Jahren Hundetrainer in Dornbirn und hat selbst mehrere Hunde, die teils auch gelistet sind. “Solche Vorfälle kann es immer wieder geben, auch mit anderen Rassen”, sagt Waltenberger. Grundsätzlich überrascht war er also nicht, von der extremen Reaktion allerdings schon. Er vermutet, dass es schon vorher ein Problem gegeben haben muss.

Der Hundetrainer hält nichts von den Listen und bezeichnet sie als sinnlos. “Listenhunde sind nicht gefährlicher als andere”, sagt er. Zudem gebe es die Listen schon ewig und sie seien teils sogar unterschiedlich. Beispiel: In Wien und Niederösterreich ist der Rottweiler gelistet, in Vorarlberg nicht. Statistisch gesehen seien außerdem – wenn es um Bissattacken geht – andere Hunde wie der Deutsche Schäferhund auf den vorderen Plätzen. Und auch ein Golden Retriever beiße zu.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
“Hunde jeder Rasse kommen gleich zur Welt, außer sie sind krank”, erklärt Waltenberger. Dann sammle der Vierbeiner Erfahrungen und reagiere dementsprechend. “Es gibt Rassen, die sind vom Kopf her stark. Die brauchen eine klare Linie im Welpenalter, sonst machen die Hunde später Probleme und als Erwachsene, was sie wollen.”
Hunde als Bedürfnisbefriedigung
Sein Vorschlag: “Meiner Meinung nach sollten Hunde erst auf eine Liste, wenn sie Probleme verursachen. Dann gibt es Kontrollen, bis sie von der Liste wieder herunterkommen.” Waltenberger warnt zudem davor, sich allein auf die Hundeschule zu verlassen. Kommandos wie Sitz und Platz würden im Zweifelsfall nicht weiterhelfen. Wichtiger sei es, zu verstehen, welche Signale der Hund sendet, wie man diese deuten muss und wie man als Hundehalter in verschiedenen Situationen richtig reagiert. “Sicherheit ist das Wichtigste im Hundeleben”, sagt der Hundetrainer. “Also muss ich dem Hund vermitteln, ich kümmere mich darum, sonst löst er die Situation eben selbst.”

Ein Problem sei seiner Meinung nach außerdem, dass manche Leute ihren Hund nicht als Hund, sondern als Bedürfnisbefriedigung sehen. “Mit einem Pferd würde niemand so umgehen”, sagt Waltenberger. Manche würden sich auch bei der Anschaffung zu wenig Gedanken machen. Immerhin braucht ein Haustier viel Zeit und Aufmerksamkeit, und im Zweifelsfall sollte der Hundebesitzer seinen Vierbeiner auch zurückhalten können.
Und was sollte ich als Spaziergänger tun, wenn ein frei laufender Hund auf mich zukommt? “Ruhig stehen bleiben, nicht schreien und nicht anstarren”, rät der Experte. Wichtig sei es, nicht in Panik zu geraten. Denn: Wegrennen ist, wie Öl ins Feuer zu gießen.