Ein Kampf zwischen Innerfratte und Außerfratte

VN / 11.01.2024 • 11:15 Uhr
Ein Kampf zwischen Innerfratte und Außerfratte
Noch gilt auf der L 188 durch Schruns und Gantschier Tempo 60, doch das könnte sich bald ändern. VN/JUN

Die geplanten 50 km/h von St. Anton bis Schruns spalten das gesamte Tal.

Montafon Im Montafon rumort es gewaltig. Die geplante Geschwindigkeitsreduktion auf Tempo 50 spaltet das Tal. Die einen wollen sie, die anderen sind strikt dagegen. Außerfratte gegen Innerfratte. Anrainer gegen Pendler.

Auch zwischen Gantschier und St. Anton soll die Geschwindigkeit reduziert werden.<span class="copyright"> VN/JUN</span>
Auch zwischen Gantschier und St. Anton soll die Geschwindigkeit reduziert werden. VN/JUN

Maurice Stampfer aus Vandans ist dagegen. Er hat eine Onlinepetition gestartet, die sich gegen die 50-km/h-Beschränkung richtet, die ab Ortseingang von St. Anton bis zum Käsehaus Schruns gelten soll. Schon 2336 Unterschriften sind zusammengekommen. Besonders St. Gallenkirch hat viele Gegner, wie man an der Onlinepetition sieht. Von 2181 Unterschriften aus dem Bezirk Bludenz fallen allein 349 auf St. Gallenkirch.

Für mehr Sicherheit sorgen 50 km/h, sind sich Anrainer und einige Bürgermeister einig.<span class="copyright"> VN/JUN</span>
Für mehr Sicherheit sorgen 50 km/h, sind sich Anrainer und einige Bürgermeister einig. VN/JUN

Überraschend: Schruns liegt mit 354 Unterschriften vorne. Gaschurn belegt Platz drei mit 286 Unterschriften. „Diese Petition ist als Zeichen an die Entscheidungsträger gedacht. Schon seit geraumer Zeit werden Tag für Tag immer neue Gesetze und Verordnungen über die Köpfe der Bevölkerung hinweg beschlossen, ohne dabei die wahren Interessen der Bürger zu berücksichtigen“, sagt Maurice Stampfer.

Bis zum Käsehaus sollen die 50 km/h gelten. <span class="copyright">Heidemarie Netzer</span>
Bis zum Käsehaus sollen die 50 km/h gelten. Heidemarie Netzer

Thema polarisiert

Josef Lechthaler, Bürgermeister von St. Gallenkirch, sieht die Geschwindigkeitsreduktion persönlich zwar nicht so schlimm, aber auch er versteht die Wut der Einheimischen. Es sei „ein Kampf zwischen Innerfratte und Außerfratte“. In seiner Gemeindevertretung gebe es „große Gegner“. Die gesamte Gemeindevertretung war eindeutig gegen ein Tempo 50. „Da ist noch nicht das letzte Wort gesprochen“, mahnt Josef Lechthaler. „Ich persönlich habe mit Tempo 50 kein Problem“, aber er weiß auch, dass sich in letzter Zeit große „Gräben aufgetan“ haben und das Thema im Tal polarisiert.

Gaschurn befürchtet eine Abwanderung, wenn die Einheimischen nicht schnell aus dem Tal hinaus- und hineinkommen. <span class="copyright">SCO</span>
Gaschurn befürchtet eine Abwanderung, wenn die Einheimischen nicht schnell aus dem Tal hinaus- und hineinkommen. SCO

Der Gründer der Bürgerinitiative „L 188 – Gantschier“, Herbert Tschofen – der Mann, der den Stein überhaupt ins Rollen gebracht hat –, verurteilt die Onlinepetition, die sich gegen sein Anliegen richtet, nicht. Im Gegenteil: „Ich verstehe die Petition, die Montafoner, die schnell aus dem Tal hinauswollen.“ Eigentlich wollen alle das Gleiche: Schnell durch das Tal kommen. Er sieht das Problem woanders: „Es fehlt an einer Umfahrungsstraße und Erschließungsstraße.“ Mit einer Umfahrungsstraße meint Herbert Tschofen, selbst Anrainer der L 188, eine Ortsumfahrung für Gantschier und Schruns, doch das langfristige Ziel müsse die Erschließungsstraße sein, die durch das ganze Montafon führt. Diese sei „unausweichlich und enorm wichtig“. Mit einer Erschließungsstraße, auf der man 80 km/h fahren könnte, wären alle zufrieden und entlastet. Bis so eine Erschließungsstraße – wenn überhaupt – kommt, dauert es Jahrzehnte. „Die Zeit ist jedoch reif dafür“, ist Herbert Tschofen überzeugt.

In St. Anton gibt es eine Unterschriftensammlung, die sich für eine Geschwindigkeitsreduktion, aber auch für andere Maßnahmen ausspricht. <span class="copyright">VN/JUN</span>
In St. Anton gibt es eine Unterschriftensammlung, die sich für eine Geschwindigkeitsreduktion, aber auch für andere Maßnahmen ausspricht. VN/JUN
Die St. Antöner wünschen sich zudem, dass an diesem Fußgängerübergang eine Rotlichtampel installiert wird. <span class="copyright">VN/JUN</span>
Die St. Antöner wünschen sich zudem, dass an diesem Fußgängerübergang eine Rotlichtampel installiert wird. VN/JUN

Fehler liegen in der Vergangenheit

Auch Daniel Sandrell, Bürgermeister von Gaschurn, findet deutliche Worte: „Eine Geschwindigkeitsreduktion ist nicht die Lösung.“ Auch er ist der Meinung, dass es eine Erschließungsstraße durch das ganze Tal braucht. Wie auch Herbert Tschofen die Politik in der Verantwortung sieht und moniert, dass diese die letzten 30, 40 Jahre verschlafen hat, sagt auch Daniel Sandrell, dass „Fehler in der Vergangenheit passiert“ sind – vor allem Raumplanungsfehler. Doch er findet, dass eine Temporeduktion keine Alternative darstellt. So würden auch nicht mehr Leute auf die Bahn umsteigen. Nur, wenn ein Zug von Gaschurn bis Bregenz durchfahre, bringe dies eine Entlastung auf der Straße, doch den zweigleisigen Bahnausbau bis Gaschurn diskutiere man schon seit 40 Jahren – bis jetzt ohne Ergebnis.

Bei der L 188 handelt es sich um eine Landesstraße, welche die gesetzlichen Voraussetzungen (Breite, Sichträume, etc.) aufweist. In der Hauptsaison und am Morgen und am Abend (Pendler) kann es immer wieder zu Staus kommen. Durch mehrere Maßnahmen (ÖPNV, Entzerrung des Anreiseverkehrs, Umbau der Abfahrt Bludenz-Ost) versucht man hier Verbesserungen zu schaffen. <span class="copyright">VN/JUN</span>
Bei der L 188 handelt es sich um eine Landesstraße, welche die gesetzlichen Voraussetzungen (Breite, Sichträume, etc.) aufweist. In der Hauptsaison und am Morgen und am Abend (Pendler) kann es immer wieder zu Staus kommen. Durch mehrere Maßnahmen (ÖPNV, Entzerrung des Anreiseverkehrs, Umbau der Abfahrt Bludenz-Ost) versucht man hier Verbesserungen zu schaffen. VN/JUN

„Für uns ist es wichtig, dass die Verbindung durchgängig und schnell ist, nur so bleiben wir als Ort attraktiv. Wenn sich die verkehrliche Situation nicht bessert, haben wir auch mehr Abwanderung“, sagt Daniel Sandrell. Durch die Herabsenkung der Geschwindigkeit werde die Ausfahrt aus dem Tal noch schwieriger. „Dann ziehen die Menschen lieber näher zur Arbeitsstelle.“ Zwar wird die Lärmbelästigung für die Anrainer weniger und auch die Feinstaubbelastung verbessert sich, aber „ich glaube nicht, dass das der große Wurf ist“, so Daniel Sandrell.

Herbert Tschofen, Gründer der Bürgerinitiative „Gantschier – L 188“ versteht auch die Gegner. Für ihn kommt langfristig nur eine Erschließungsstraße durch das Montafon infrage. <span class="copyright">VN/JUN</span>
Herbert Tschofen, Gründer der Bürgerinitiative „Gantschier – L 188“ versteht auch die Gegner. Für ihn kommt langfristig nur eine Erschließungsstraße durch das Montafon infrage. VN/JUN

Die beiden Bürgermeister der Innerfratte, Daniel Sandrell und Josef Lechthaler, wollen sich mit einem Schreiben an die Bezirkshauptmannschaft Bludenz wenden und sich über die geplante Geschwindigkeitsreduktion beschweren.

Jürgen Kuster, Bürgermeister von Schruns, stuft eine Erschließungsstraße als unrealistisch ein. <span class="copyright">www.meznar.media</span>
Jürgen Kuster, Bürgermeister von Schruns, stuft eine Erschließungsstraße als unrealistisch ein. www.meznar.media

Befürworter in der Außerfratte

Dagegen befürworten einige aus der Außerfratte die Geschwindigkeitsreduktion, etwa in St. Anton, wo auch Unterschriften gesammelt wurden. 177 Bürger haben sich für ein Tempo 50 vom Almahüsli bis Innerböden ausgesprochen, doch dies ist nicht die einzige Forderung gewesen. So befürworten die Bürger die Anbringung einer Rotlichtkamera beim Zebrastreifen zum St. Antöner Bahnhof. Hier würden oft Lastwagen bei Rot über den Fußgängerübergang fahren. Falls der Belag auf der Landesstraße erneuert werden muss, soll ein Flüsterasphalt aufgetragen werden. Geschwindigkeitskontrollen fordern die St. Antöner außerdem auf der Bartholomäbergerstraße, da sich die meisten Pkw- und Lkw-Fahrer nicht an die erlaubten 40 km/h halten, sondern talwärts mit bis zu 60 km/h durch den Ort rasen.

Ein Kampf zwischen Innerfratte und Außerfratte
Die Bürgermeister der Innerfratte, Josef Lechthaler und Daniel Sandrell, kämpfen darum, dass es nicht zu einer Geschwindigkeitsreduktion kommt. SCO

„Erschließungsstraße unrealistisch“

Jürgen Kuster, Bürgermeister von Schruns, findet die 50 km/h nicht verwerflich. Durch die Geschwindigkeitsreduktion werden Lärm und Feinstaub reduziert und die Sicherheit nimmt zu. „Zehn km/h weniger machen schon was aus.“ Doch mit der Geschwindigkeitsreduktion ist es nicht getan. Auch ein Gehsteig soll auf der L 188 für mehr Sicherheit sorgen und Fußgängerinseln sollen als Verkehrsbremse dienen. Doch wann diese Maßnahmen umgesetzt werden, steht noch in den Sternen. Jürgen Kuster rechnet nicht damit, dass ein Gehsteig im heurigen Jahr gebaut wird. Dafür bräuchte die Gemeinde erst einmal die Grundstücke.

Auch hier würden in Zukunft 50 km/h gelten, wenn die Bezirkshauptmannschaft diese genehmigt. Auf die Bahn (links) werden aber deswegen nicht mehr Menschen umsteigen, meint Daniel Sandrell. <span class="copyright">VN/JUN</span>
Auch hier würden in Zukunft 50 km/h gelten, wenn die Bezirkshauptmannschaft diese genehmigt. Auf die Bahn (links) werden aber deswegen nicht mehr Menschen umsteigen, meint Daniel Sandrell. VN/JUN

Auch eine Ortsumfahrung oder gar eine Erschließungsstraße durch das Montafon findet Jürgen Kuster unrealistisch. „Ich glaube nicht, dass längerfristig Straßenprojekte leicht umsetzbar sind. Wenn ich mir das Budget von den Gemeinden anschaue, wird mir schlecht.“ Auch er ist sich bewusst, dass dieses Thema ein sehr emotionales ist, doch im Endeffekt sind viele Anrainer davon betroffen und für die müsse die Lebensqualität verbessert werden. Diese sei höher einzustufen, als dass die Autofahrer schnell von A nach B kommen. VN-JUN

Durch das Ortszentrum von St. Gallenkirch gilt bereits Tempo 50.  <span class="copyright">SCO</span>
Durch das Ortszentrum von St. Gallenkirch gilt bereits Tempo 50. SCO

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