Patientin nach Horror-Behandlung durch falschen Zahnarzt: “Es war eine Tortur”

VN / 15.02.2024 • 12:48 Uhr
Die erste Klägerin mit ihrem Rechtsvertreter Anwalt Michael Brandauer. <span class="copyright">vn/gs</span>
Die erste Klägerin mit ihrem Rechtsvertreter Anwalt Michael Brandauer. vn/gs

Feldkircher Zivilgericht fällte erste Entscheidung im Prozessmarathon gegen angeblichen Zahnmediziner. Das sagt die Klägerin.

Feldkirch „Ich habe Blut geschluckt und musste mich erbrechen“, beschrieb eine 52-jährige Patientin als Klägerin bei der ersten Verhandlung jene schmerzhafte Behandlung, die sie bei der Behandlung durch den Beschuldigten in einer zahnmedizinischen „Ordination“ im Vorarlberger Unterland erdulden musste. Und das über zehn qualvolle Stunden lang. Die VN berichteten über den Prozess.

<p class="caption">Der Beklagte (r.) mit seinem Vertreter Rechtsanwalt Nicolas Stieger (der sein Mandat inzwischen niederlegte) bei einer der ersten Verhandlungen. <span class="copyright">vn/gs</span></p>

Der Beklagte (r.) mit seinem Vertreter Rechtsanwalt Nicolas Stieger (der sein Mandat inzwischen niederlegte) bei einer der ersten Verhandlungen. vn/gs

Die Frau wollte sich Veneers und Kunststoffteilkronen im Ober- und Unterkiefer anbringen lassen. Mit dem Ergebnis, dass 23 ihrer Zähne faktisch irreparabel beschädigt waren.

Erfolglose Nachbehandlungen

Doch das war noch nicht alles. Für die Patientin folgte nun eine Tortur von Behandlungen, verbunden mit starken Schmerzen, persönlichen Einschränkungen und hoher psychischer Belastungen. Sie nahm zahlreiche Nachbesserungstermine wahr. Doch die Nachbehandlungen blieben erfolglos.

Am 13. September 2021 nahm die Geschädigte schließlich mit der Beschwerdestelle der Zahnärztekammer Vorarlberg Kontakt auf. Dort erfuhr sie, dass ihr vermeintlicher Zahnarzt überhaupt kein Zahnarzt ist. Denn er ist nicht in der Liste der Vorarlberger Zahnmediziner eingetragen – was Voraussetzung ist, um in Österreich zu praktizieren.

Betrug, Kurpfuscherei und Körperverletzung?

Somit fühlt nun die Kammer dem Verdächtigen auf den Zahn. Und nicht nur sie. Auch die Staatsanwaltschaft wurde wegen des Verdachts auf Körperverletzung, Betrug und Kurpfuscherei informiert. Die Polizei nahm die Ermittlungen auf. Erhebungen, die immer noch im Gange sind.

So unglaublich es klingt: Bereits seit dem Jahr 2016 ist die Vorarlberger Zahnärztekammer in mehreren Angelegenheiten mit dem Beklagten beschäftigt. Damals wurde sie aktiv, weil er auf einem Firmenschild als Zahnarzt aufschien, jedoch nicht als solcher in der Liste der Vorarlberger Zahnärzte. Die Folge war ein Verwaltungsstrafverfahren der Bezirkshauptmannschaft.

Doch welche Ausmaße dieser Fall letztendlich nehmen würde, ahnte damals noch niemand.

13 Zivilrechtsklagen

Denn die 52-jährige Patientin war und ist nicht die einzige Geschädigte. Bisher wurden insgesamt 13 Zivilrechtsklagen gegen den Beschuldigten eingebracht. Ein Prozessmarathon steht an. Zunächst zivilrechtlich, im Anschluss aber auch strafrechtlich. Womit es dann so richtig eng werden dürfte für den Beschuldigten, der sich dem Vernehmen nach derzeit im Ausland befindet.

Auch ein weiterer Kläger hatte einiges an der „Behandlung“ des Beschuldigten auszusetzen. <span class="copyright">vn/gs</span>
Auch ein weiterer Kläger hatte einiges an der „Behandlung“ des Beschuldigten auszusetzen. vn/gs

Das erste Urteil

Doch zurück zur ersten Klägerin. Das Zivilgericht hat hier ein erstes Urteil gefällt. Es stellte fest, dass der Beklagte wegen fehlender gültiger Ausbildung kein zugelassener Zahnarzt ist und seine Behandlung rechtswidrig war. Seine Behauptung, dass er die Klägerin überhaupt nie behandelt habe, überzeugte das Gericht nicht im Geringsten.

Das Urteil in Zahlen: Der Beklagte muss an die Geschädigte 53.000 Euro Schadenersatz und mehr als 35.000 Euro Prozesskosten bezahlen. Außerdem haftet er für sämtliche zukünftigen und derzeit nicht bekannten Schäden durch die Behandlung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Und was sagt die Klägerin? „Ich bin froh, dass alles vorbei ist. Ich kann das jetzt endlich für mich abschließen. Die Behandlung war eine Tortur und die Verhandlungstermine für mich auch emotional belastend. Es war gut, dass ich mich damals bei der Zahnärztekammer gemeldet habe. Es war eine gute Entscheidung, dass ich den Schritt gewagt habe.“

<p class="caption">Bei der Zahnärztekammer Vorarlberg gingen zahlreiche Beschwerden von Patienten ein. <span class="copyright">Zahnärztekammer</span></p>

Bei der Zahnärztekammer Vorarlberg gingen zahlreiche Beschwerden von Patienten ein. Zahnärztekammer

Aufruf an mögliche Geschädigte

Auch Markus Thaler, Büroleiter der Vorarlberger Zahnärztekammer, kommentiert den Fall: „Als wir 2016 bei der Bezirkshauptmannschaft wegen eines damals lediglich vorliegenden Verwaltungsdelikts Anzeige erstattet und den Beklagten in den Fokus der Behörden gerückt haben, war nicht abzusehen, dass dieser Fall Jahre später solche Ausmaße annehmen würde. Es freut uns aber, dass wir als Landeszahnärztekammer bei der Aufklärung einen Beitrag leisten konnten bzw. dies immer noch tun. Wir möchten die Gelegenheit nutzen, mögliche weitere Geschädigte, die sich bisher nicht gemeldet haben, zu motivieren, das nachzuholen. Sie sollten sich bei der Beschwerdestelle der Landeszahnärztekammer Vorarlberg melden.“

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