Ein Blick hinter die Kulissen: Unterwegs mit zwei Pistenraupenfahrern in der Nova

VN / 25.02.2024 • 12:35 Uhr
Mario Tschofen (l.) und Lukas Ganahl (r.) präparieren die Pisten in der Nova.

Mario Tschofen ist Pistenchef der Silvretta Montafon und selbst begeisterter Pistenraupenfahrer. Er zeigt die Arbeit, die die Skifahrer tagsüber nicht sehen: Elf Fahrer, darunter eine Frau, präparieren tagtäglich die Pisten in der Nova bis in die Nacht hinein. Bei Neuschnee müssen sie sogar zweimal ausrücken. Dabei ist die schwarze Piste 44, die Black Scorpion, nur den Profis vorbehalten – beim Skifahren genauso wie beim Pistenraupenfahren.

St. Gallenkirch Wenn die letzten Skifahrer die Pisten verlassen haben, beginnt die Schicht von Lukas Ganahl und zehn weiteren Pistenraupenfahrern im Skigebiet der Silvretta Nova. Für den 33-jährigen Mechaniker ist es sein 15. Winter als Pistenraupenfahrer. Der 19. Februar hat Neuschnee gebracht. Unten ist es zwar grün und die Temperaturen frühlingshaft, doch auf dem Weg hoch zur Valiserabahn Bergstation wird der Schnee mehr, die Baumwipfel sind angezuckert. „Die Schneelage da oben ist sehr gut“, sagt Pistenchef Mario Tschofen in der Gondel. „Ab 1500 Meter haben wir heuer sehr viel Schnee”, um genau zu sein 1,20 Meter hoch.

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Mario Tschofen zeigt in der Gondel das Pistennetz der Silvretta Nova. Blau heißt, dass dort ausreichend Schnee liegt.
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Letzte Reparaturen werden noch gemacht, bevor der Pistenbully 800 zum Einsatz kommt.

Kurz nach 16 Uhr: Teambesprechung im Aufenthaltsraum, direkt neben der Werkstatt für die Pistenbullys. Jeder kennt sein Einsatzgebiet für den heutigen Abend. Im Skigebiet der Silvretta Montafon (SiMo) fahren täglich 24 Pistenraupenfahrer, elf davon in der Nova. Jeder hat sein „eigenes“ Fahrzeug. Fahrermangel gibt es keinen, die SiMo hat eine gute Stammmannschaft.

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Mario Tschofen freut sich jedes Mal, wenn er Pistenraupe fahren darf.
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Immer wieder müssen die Pistenbullys in die Werkstatt.

Mario Tschofen kommt nur noch gelegentlich in den Genuss, selbst am Steuer zu sitzen, doch wenn, dann freut er sich jedes Mal wie ein kleines Kind. „Ich vermisse das Fahren und freue mich immer, wenn sie mich anrufen und ich aushelfen muss.“ 612 PS, zehn Tonnen, über eine halbe Million Euro: Der 41-Jährige zeigt das erst eine Woche alte Gefährt im Fuhrpark der SiMo. „Das ist das stärkste Fahrzeug, was auf dem Markt ist“, schwärmt er. „Der hat richtig viel Leistung und ist daher nachhaltig.“ Er erklärt auch, warum: „Der Motor hat so viel Kraft, dass er am wenigsten verbraucht.“

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Die Piste ist erst fertig präpariert, wenn sie der Fahrer für gut befindet.

Schlechte Sicht

Oben herrscht schlechte Sicht. Die Wolken hängen tief, das Licht ist diffus. Was schon das Skifahren anspruchsvoll macht, macht es für den Pistenbullyfahrer noch schwieriger, denn er muss bei einem kompletten Whiteout immer noch die Piste erkennen können und wissen, wo er fahren muss. Bei einem Selbsttest – das älteste Gefährt hat noch ein Lenkrad – merke ich, wie schnell die Orientierung verloren geht. Und selbst die Stangen, die die Piste begrenzen, erkennt man bei dichtem Nebel erst recht spät. Da heißt es „Fahren auf Sicht“ und sich gegebenenfalls auf die Schneehöhenmessung verlassen, die auch die Pistenbreite anzeigt.

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Die neuen Maschinen haben einen Joystick, mit dem man acht Funktionen ansteuern kann. Das Wichtigste ist das Schild vorne, mit dem der Schnee verteilt wird. Man kann den Schnittwinkel, die Höhe und Schärfe einstellen. Die Fräse hinten macht nur das Finish.
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Hier geht es auf die Piste 44, die Black Scorpion.

Lukas Ganahl erklärt, was es mit der Schneehöhenmessung auf sich hat: Rot bedeutet null bis 15 Zentimeter, Grün bis zu 60 Zentimeter Schnee und Blau ist am besten. Dort liegen 60 Zentimeter und mehr Schnee. 20-mal in der Sekunde wird die Schneehöhe gemessen. „Jeder Quadratmeter wurde im Sommer mittels Laserscan viermal eingelesen.“ Die Daten wurden dann auf das Leica-System aufgespielt. „Wir sind aktuell 1,27 Meter über der eingemessenen Seehöhe“, erklärt der Schrunser. Mit dieser Technik kann man effizient den Schnee dorthin verschieben, wo er am meisten gebraucht wird.

Mario Tschofen hat sichtlich Freude an seinem Beruf.
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Die neuen Fahrer fangen mit kleinere Geräte an, wie dieses hier.

Schwarze Piste nur für Profis

Derweil geht es mit dem Pistenbully 800 auf die Piste 44, die schwarze Black Scorpion, 59 Prozent Neigung. Um die Piste zu präparieren, steigt Mario Tschofen aus dem Fahrzeug und hängt das Gefährt an die Seilwinde. Runter würde zwar ohne Seilwinde noch gehen, aber hoch dann nicht mehr. „Die Winde ist eine Steighilfe“, erklärt der Gortipohler. Doch allzu sicher darf sich der Fahrer trotz Winde nicht fühlen, denn das Seil kann auch mal reißen. „Das kommt sogar oft vor, denn es wird immer belastet und liegt im Schnee.“ 600 bis 1000 Stunden hebt so ein Seil, bevor es reißt. Und dann? „Das Fahrzeug rutscht wieder runter. Da hast du nichts mehr, was dich oben hält.“ Daher ist die schwarze Piste auch nur den Profis vorbehalten.

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Die Pistenraupen fahren aus ihrer Garage.
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Manche Pisten präpariert man im Vorbeifahren, so wie diese hier.

„Die Fahrer gucken wir uns sehr genau an“, sagt Mario Tschofen, denn sie haben eine große Verantwortung. Ein Pistenbully ist wie ein Panzer. „Wenn man mit ihm irgendwo gegen fährt, geht alles kaputt.“ Außerdem müssen die Fahrer ein technisches Verständnis mit in den Beruf bringen. Man muss sehr genau arbeiten und selbst gerne Skifahren, damit man weiß, wie eine gute Piste aussehen sollte. Und man ist stark vom Wetter abhängig: „Den Dienstplan macht das Wetter. Bei Neuschnee muss man die Arbeit doppelt machen.“

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Hier sieht Lukas die Neigung, die Distanz zwischen Wiese und Gefährt, also die Schneehöhe, und welche Stellen weniger Schnee aufweisen.
Auch ich durfte mal ans Steuer. Bei null Sicht wird das Fahren aber zu einer Herausforderung.

Mario Tschofen ist schon seit 23 Jahren Pistenraupenfahrer, seit sechs Jahren Pistenchef. Er weiß, worauf es ankommt. Die Neulinge, darunter eine Frau, fahren am Anfang erst einmal die blauen Pisten auf den kleinsten Fahrzeugen. Nach 14 Tagen wisse man, ob der Fahrer für den Job geeignet ist oder nicht. „Bis sie es richtig können, dauert es zwei Saisonen.“ Daher nütze es nichts, wenn jemand nur eine Saison diesen Beruf ausüben möchte.

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Mit der Seilwinde geht es die schwarze Piste rauf und runter.
Das Einlernen eines neuen Fahrers dauert eine ganze Saison, denn so ein Gefährt zu bedienen, erfordert technisches Verständnis und Feingefühl.

“Mich hat das Fieber gepackt”

Schon als Kind durfte Mario Tschofen mitfahren. „Mein Gote war Pistenraupenfahrer. Als kleiner Bub durfte ich immer mit. Da hat mich das Fieber gepackt.“ Zuerst hat er Kfz-Mechaniker gelernt, aber immer mit dem Hintergedanken, Pistenbully zu fahren. Im Sommer repariert er dann die Pistengeräte, immerhin werden sie im Winter bei Minusgraden stark beansprucht. Beziehungsfreundlich ist der Beruf nicht. „Meine Frau sieht mich im Winter nicht viel. Die Liebe zum Job muss daher sehr groß sein.“ Dafür ist der Beruf wiederum familienfreundlich, denn so hat Mario Tschofen untertags viel Zeit für die Kinder und geht erst arbeiten, wenn sie schon fast im Bett liegen.

Lukas Ganahl mit seinem Pistenbully. Es ist sein 15. Winter als Pistenraupenfahrer.
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Zehn Tonnen wiegt die neue Errungenschaft. 612 PS ist der Pistenbully stark.

Apropos Bett: Man hat erst Feierabend, wenn der Letzte mit seiner Piste fertig ist und wenn er noch Unterstützung braucht, hilft man sich gegenseitig. Pistenraupenfahren ist eben ein Mannschaftssport. Erst wenn der Fahrer die Piste für perfekt erklärt, ist seine Arbeit erledigt. „Das ist die oberste Priorität. Die Qualität muss passen. Wir geben daher unseren Fahrern keine Zeiten vor“, sagt Mario Tschofen. Wenn es über Nacht acht bis zehn Zentimeter oder mehr schneit, dann übernachten die Fahrer direkt oben am Berg – in Mitarbeiter-Mehrbettzimmern bei der Bergstation –, damit sie ab 4 Uhr nochmal losfahren können, um die Piste erneut zu präparieren. VN-JUN

Die Fräse übernimmt das Finish.
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Hier hängt Mario Tschofen die Seilwinde ein.