Johannes Schwab: Von der Turnmatte in die Molekularbiologie

VN / 05.03.2024 • 17:50 Uhr
Johannes Schwab: Von der Turnmatte in die Molekularbiologie
Johannes Schwab ist einer der 50 Köpfe von morgen 2024. Schwab

50 Köpfe von morgen 2024: Johannes Schwab, Jahrgang 1992, war ein erfolgreicher Sportler. Heute forscht der Mathematiker in Cambridge.

Cambridge Johannes Schwab kennt man, wenn man sich mit Turnen beschäftigt. Vor einem Jahrzehnt war er einer von jenen, die regelmäßig Medaillen nach Vorarlberg brachten. Heute stattet er in England Molekularbiologen mit Algorithmen aus, um die Bausteine unserer Biologie zu verstehen.

Schwabs Arbeitsplatz, auf dem rechten Bildschirm erkennt man, wie eine solche Visualisierung aussehen kann. <span class="copyright">Schwab</span>
Schwabs Arbeitsplatz, auf dem rechten Bildschirm erkennt man, wie eine solche Visualisierung aussehen kann. Schwab

Angefangen hat es während seiner aktiven Zeit bei den Turnern in Innsbruck. “Ich habe eigentlich immer schon gewusst, dass ich irgendetwas mit Mathematik machen will”, erinnert sich Schwab zurück. In Innsbruck kam es dann zusammen: Hier trainierte das Nationalteam, dessen Mitglied der damalige Sportsoldat war. Und hier studierte er dann nebenbei noch Mathematik, vom Bachelor über den Master bis zum Doktor.

Johannes Schwab turnte wie auch sein Bruder für Österreich auf Europa- und Weltmeisterschaften, hier 2014.<span class="copyright"> VN/Lerch</span>
Johannes Schwab turnte wie auch sein Bruder für Österreich auf Europa- und Weltmeisterschaften, hier 2014. VN/Lerch

Sein Fachgebiet: Inverse Probleme. “Das heißt, man hat eine Messung, deren Ursache man nicht direkt beobachten kann – und will berechnen, was man eben nicht beobachten kann.” Die Anwendungsbereiche sind vielfältig: Wie ist der Untergrund aufgebaut oder gibt es hier Erdölvorkommen, bevor man die Erde aufgräbt. Oder in der Computertomografie, wie sieht es im Menschen aus, ohne gleich eine Operation durchführen zu müssen. Oder eben, wie sind menschliche Proteine aufgebaut und wie interagieren sie in und mit den Zellen im Körper: die Molekularbiologie.

Auch in Cambridge bleibt Schwab dem Turnen treu, die Universität hat einen eigenen Verein.<span class="copyright">Schwab</span>
Auch in Cambridge bleibt Schwab dem Turnen treu, die Universität hat einen eigenen Verein.Schwab

“Im Mathematikstudium ist es so, man nennt es zwar angewandte Mathematik, aber es ist dann doch eher theoretisch”, was ihn dazu veranlasste, sich im Postdoc stärker auf reale Anwendungen zu konzentrieren. “Dann wollte ich etwas machen, was die Leute da wirklich verwenden.” So verschlug es Schwab im April 2021 nach Cambridge. Auch, weil es eine der relevantesten Wirkungsstätten in seinem Fachgebiet ist. Hier am Molekularbiologischen Labor MRC forscht man mit Kyroelektronenmikroskopen am Aufbau von Proteinen und anderen Molekülen. Diese werden in einer dünnen Eisschicht schockgefroren und von allen Seiten mit Elektronen abgetastet. Richard Henderson, der ebenfalls am MRC forschte, erhielt als einer von drei Forschern 2017 den Nobelpreis für die Entwicklung dieser Technologie. “Der läuft hier immer noch regelmäßig herum, obwohl er schon fast 80 ist”, lacht Schwab.

Der Zugang zum Turnsport ist ein anderer als im Leistungssport, Medaillen gibt es dennoch. <span class="copyright">Schwab</span>
Der Zugang zum Turnsport ist ein anderer als im Leistungssport, Medaillen gibt es dennoch. Schwab

Aus diesen Messergebnissen berechnen die Algorhitmen des Vorarlbergers ihr Aussehen für 3D-Modelle. “Das ist vor allem wichtig, damit man versteht, was für Funktionen haben die Moleküle”, erläutert der 31-Jährige. “Was machen die genau? Das ist zum Beispiel interessant für die Medizinentwicklung.” Denn wer die Bau- und Wirkweise versteht, kann zielgerichtetere Antworten auf gesundheitliche Probleme finden. Wenig verwunderlich haben große Entwickler wie Pfizer und AstraZeneca Niederlassungen nahe zur Universität, um von den Forschungsmöglichkeiten zu profitieren. Und nur wenige Tische von Schwab entfernt versucht man zu verstehen, was sich bei Demenz auf molekularer Ebene im Gehirn verändert.

Die Cam, nach der der Studienort benannt ist, zählt zu Schwabs Lieblingsorten. <span class="copyright">Schwab</span>
Die Cam, nach der der Studienort benannt ist, zählt zu Schwabs Lieblingsorten. Schwab

Dazu reicht es aber nicht, einzelne Moleküle analysieren zu können. “Das nächste wird sein, ganze Zellen abzubilden und die Wechselwirkungen der Moleküle in ihr festhalten zu können”, erklärt Schwab. Dies läuft dann unter dem Begriff Kryoelektronentomografie. Dem Turnen blieb er auch in England treu, in Cambridge geht man hier trotz der Rivalität mit Oxford recht locker an die Sache heran. Langfristig zieht es den Götzner aber wieder zurück nach Österreich: “Ich vermisse die Berge, und das Wetter ist hier auch nicht so gut.”

Schwab vor dem Centre for Mathematical Sciences in Cambridge. <span class="copyright">Schwab</span>
Schwab vor dem Centre for Mathematical Sciences in Cambridge. Schwab

Zur Person

Johannes Schwab

Der frühere Leistungsturner des SG Götzis studierte Mathematik und forscht heute in der Molekularbiologie in Cambridge.
Jahrgang: 1992
Familienstand: ledig
Lieblingsort in Cambridge: Der Fluss Cam
Lieblingsessen: Lammkotelett

Die 50 Köpfe 2024

Eine Juristin mit Leidenschaft für Diamanten – Katharina Kopf

Der Lenz ist da und will noch viel mehr – Lenz Moosbrugger

“Ich möchte Pianist werden” – Aljosa Marinkovic

Das berufliche Glück in der Pflege gefunden – Merle Koch

Er macht mit seinem Bilderbuch Religion kinderleicht – David Dünser

Eine zielsichere Kandidatin für die Heim-EURO – Viktoria Marksteiner

Ein Geschäftsführer, der auf Mitarbeiterbeteiligung setzt – Alexander Einetter

Auf dem Weg zur europäischen Spitze im Radsport – Johanna Piringer

Er rüstet Vorarlberg für die digitale Transformation – Florian Buehler

Sie setzt sich für Frauen und Gleichstellung ein – Carina Ebenhoch

Musikalisches Talent und ehrenamtliches Engagement – Johannes Hinteregger

Jüngster Abteilungsmeister mit großer Verantwortung – Lukas Schupp

Ausnahmetalent aus Syrien gewinnt Physikolympiade – Abdul Rahman Najeeb

Vom Verletzungsrückschlag zum Kampf um die Top 30 – Noel Zwischenbrugger