Johannes Schwab: Von der Turnmatte in die Molekularbiologie

50 Köpfe von morgen 2024: Johannes Schwab, Jahrgang 1992, war ein erfolgreicher Sportler. Heute forscht der Mathematiker in Cambridge.
Cambridge Johannes Schwab kennt man, wenn man sich mit Turnen beschäftigt. Vor einem Jahrzehnt war er einer von jenen, die regelmäßig Medaillen nach Vorarlberg brachten. Heute stattet er in England Molekularbiologen mit Algorithmen aus, um die Bausteine unserer Biologie zu verstehen.

Angefangen hat es während seiner aktiven Zeit bei den Turnern in Innsbruck. “Ich habe eigentlich immer schon gewusst, dass ich irgendetwas mit Mathematik machen will”, erinnert sich Schwab zurück. In Innsbruck kam es dann zusammen: Hier trainierte das Nationalteam, dessen Mitglied der damalige Sportsoldat war. Und hier studierte er dann nebenbei noch Mathematik, vom Bachelor über den Master bis zum Doktor.

Sein Fachgebiet: Inverse Probleme. “Das heißt, man hat eine Messung, deren Ursache man nicht direkt beobachten kann – und will berechnen, was man eben nicht beobachten kann.” Die Anwendungsbereiche sind vielfältig: Wie ist der Untergrund aufgebaut oder gibt es hier Erdölvorkommen, bevor man die Erde aufgräbt. Oder in der Computertomografie, wie sieht es im Menschen aus, ohne gleich eine Operation durchführen zu müssen. Oder eben, wie sind menschliche Proteine aufgebaut und wie interagieren sie in und mit den Zellen im Körper: die Molekularbiologie.

“Im Mathematikstudium ist es so, man nennt es zwar angewandte Mathematik, aber es ist dann doch eher theoretisch”, was ihn dazu veranlasste, sich im Postdoc stärker auf reale Anwendungen zu konzentrieren. “Dann wollte ich etwas machen, was die Leute da wirklich verwenden.” So verschlug es Schwab im April 2021 nach Cambridge. Auch, weil es eine der relevantesten Wirkungsstätten in seinem Fachgebiet ist. Hier am Molekularbiologischen Labor MRC forscht man mit Kyroelektronenmikroskopen am Aufbau von Proteinen und anderen Molekülen. Diese werden in einer dünnen Eisschicht schockgefroren und von allen Seiten mit Elektronen abgetastet. Richard Henderson, der ebenfalls am MRC forschte, erhielt als einer von drei Forschern 2017 den Nobelpreis für die Entwicklung dieser Technologie. “Der läuft hier immer noch regelmäßig herum, obwohl er schon fast 80 ist”, lacht Schwab.

Aus diesen Messergebnissen berechnen die Algorhitmen des Vorarlbergers ihr Aussehen für 3D-Modelle. “Das ist vor allem wichtig, damit man versteht, was für Funktionen haben die Moleküle”, erläutert der 31-Jährige. “Was machen die genau? Das ist zum Beispiel interessant für die Medizinentwicklung.” Denn wer die Bau- und Wirkweise versteht, kann zielgerichtetere Antworten auf gesundheitliche Probleme finden. Wenig verwunderlich haben große Entwickler wie Pfizer und AstraZeneca Niederlassungen nahe zur Universität, um von den Forschungsmöglichkeiten zu profitieren. Und nur wenige Tische von Schwab entfernt versucht man zu verstehen, was sich bei Demenz auf molekularer Ebene im Gehirn verändert.

Dazu reicht es aber nicht, einzelne Moleküle analysieren zu können. “Das nächste wird sein, ganze Zellen abzubilden und die Wechselwirkungen der Moleküle in ihr festhalten zu können”, erklärt Schwab. Dies läuft dann unter dem Begriff Kryoelektronentomografie. Dem Turnen blieb er auch in England treu, in Cambridge geht man hier trotz der Rivalität mit Oxford recht locker an die Sache heran. Langfristig zieht es den Götzner aber wieder zurück nach Österreich: “Ich vermisse die Berge, und das Wetter ist hier auch nicht so gut.”

Zur Person
Johannes Schwab
Der frühere Leistungsturner des SG Götzis studierte Mathematik und forscht heute in der Molekularbiologie in Cambridge.
Jahrgang: 1992
Familienstand: ledig
Lieblingsort in Cambridge: Der Fluss Cam
Lieblingsessen: Lammkotelett
Die 50 Köpfe 2024
Eine Juristin mit Leidenschaft für Diamanten – Katharina Kopf
Der Lenz ist da und will noch viel mehr – Lenz Moosbrugger
“Ich möchte Pianist werden” – Aljosa Marinkovic
Das berufliche Glück in der Pflege gefunden – Merle Koch
Er macht mit seinem Bilderbuch Religion kinderleicht – David Dünser
Eine zielsichere Kandidatin für die Heim-EURO – Viktoria Marksteiner
Ein Geschäftsführer, der auf Mitarbeiterbeteiligung setzt – Alexander Einetter
Auf dem Weg zur europäischen Spitze im Radsport – Johanna Piringer
Er rüstet Vorarlberg für die digitale Transformation – Florian Buehler
Sie setzt sich für Frauen und Gleichstellung ein – Carina Ebenhoch
Musikalisches Talent und ehrenamtliches Engagement – Johannes Hinteregger
Jüngster Abteilungsmeister mit großer Verantwortung – Lukas Schupp
Ausnahmetalent aus Syrien gewinnt Physikolympiade – Abdul Rahman Najeeb
Vom Verletzungsrückschlag zum Kampf um die Top 30 – Noel Zwischenbrugger