Über Himmel und Hölle, Gott als Freund und die Kunst des Predigtschreibens

VN / 05.03.2024 • 18:00 Uhr
Jakob Geier ist Kaplan im Seelsorgeraum Bludenz. <span class="copyright">Bilder: VN/JUN</span>
Jakob Geier ist Kaplan im Seelsorgeraum Bludenz. Bilder: VN/JUN

50 Köpfe von morgen 2024: Was bewegt einen 28-Jährigen, Pfarrer zu werden? Und wie sieht ein Arbeitstag als Priester aus? Wie stellt sich einer, der gerade seinen Doktor in Theologie macht, Gott vor? Und glaubt er an Himmel und Hölle? All diese Fragen beantwortet Kaplan Jakob Geier in einem Gespräch. Er ist seit September für den Seelsorgeraum Bludenz tätig.

Bludenz Mit 28 Jahren zählt Jakob Geier zu den jüngsten Priestern in Vorarlberg. Auf die Frage, ob ihm nie ein anderer Beruf in den Sinn kam, verneint er das. Schon als Kind haben ihm Gottesdienste gefallen. Und ohne die Kirche wäre sein Leben viel ärmer.

Die Heilig Kreuz-Pfarrkirche ist eine der Arbeitsstellen von Jakob Geier. <span class="copyright">SCO</span>
Die Heilig Kreuz-Pfarrkirche ist eine der Arbeitsstellen von Jakob Geier. SCO

Seit September ist der aus St. Gilgen stammende Salzburger im Seelsorgeraum Bludenz tätig, sozusagen als Helferlein für den Pfarrer Guido Kobiec. Nach der Priesterweihe im Feldkircher Dom letztes Jahr im Mai beginnt für ihn die drei- bis sechsjährige Amtszeit als Kaplan, bevor er Pfarrer wird. „Hier gefällt es mir gut“, sagt Jakob Geier zu seinem neuen Arbeitsplatz in Bludenz.

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Der 28-Jährige hält am Wochenende die Gottesdienste in der Heilig Kreuz-Kirche ab.
Der 28-Jährige hält am Wochenende die Gottesdienste in der Heilig Kreuz-Kirche ab.

Dass er in seinem Beruf keine Ehe eingehen darf, stört ihn nicht, denn mit seiner eigenen Familie, seinen vier Geschwistern, die schon Kinder haben, hat er das Familiengefühl sowieso. „Meine Familie ist mir sehr wichtig und ich habe ein gutes Verhältnis zu ihnen. Mir macht es eine große Freude, mit meinen Nichten und Neffen zu spielen. Ich lebe also nicht ohne Familie.“

Jakob Geier bei der Vorbereitung für einen Gottesdienst.
Jakob Geier bei der Vorbereitung für einen Gottesdienst.
Alles hat seinen Platz.
Alles hat seinen Platz.

Über Himmel und Hölle

Jakob Geier glaubt an „Himmel und Hölle“, aber nicht, wie man meinen könnte. Die Hölle ist kein loderndes Feuer mit einem Teufel, sondern für Christen ist es die Hölle, wenn sie nicht nah bei Gott sein können, also „die äußerste Gottesferne“. Der Himmel ist in diesem Fall die Nähe zu Gott. „Gott schenkt dem Menschen den freien Willen“, erklärt Jakob Geier. „Und das über den Tod hinaus.“ Es muss also eine Alternative zum Himmel geben, ob man diese nun in Anspruch nehmen möchte oder nicht, sei dahingestellt. Im Angesicht des Todes würde sich jeder für den Himmel entscheiden, aber man könnte auch Nein sagen. „Gott zwingt uns dazu nicht.“ Deshalb müsse die Hölle zur Auswahl stehen, sodass man frei entscheiden kann. „Wer Böses tut, kommt also nicht automatisch in die Hölle.“

Die Gebets- und Bibelbücher in Reih und Glied. Momentan befinden wir uns im zweiten Lesejahr, deshalb wird das Buch mit der römischen Ziffer 2 verwendet.
Die Gebets- und Bibelbücher in Reih und Glied. Momentan befinden wir uns im zweiten Lesejahr, deshalb wird das Buch mit der römischen Ziffer 2 verwendet.
Hier nimmt sich Jakob Geier ein Handtuch raus.
Hier nimmt sich Jakob Geier ein Handtuch raus.
Dieses braucht er für die Eucharistie.
Dieses braucht er für die Eucharistie.

Und wie stellt sich ein Priester Gott vor? „Gott wandelt sich“, sagt der Kaplan. „Gott können wir nicht fassen. Gott können wir nur in Bildern beschreiben.“ Jeder stellt sich Gott anders vor. „Ich persönlich stelle mir Gott wie einen Freund vor. Einen Wegbegleiter. Er ist neben mir, nicht gegenüber von mir. Ich stelle mir Gott sehr menschlich vor, aber er ist mehr als nur ein Mensch.“ In manchen Lebenslagen, so verrät er, habe er schon die Anwesenheit von Gott gespürt. Gott habe das Leben immer im Blick. „Er kann zwar physisch nicht eingreifen und Dinge nicht verhindern, aber Gott will, dass wir leben“, sagt Jakob Geier.

Das Gewand hängt im Schrank, bereit zur Entnahme.
Das Gewand hängt im Schrank, bereit zur Entnahme.
In diesem Schrank stehen die Kelche.
In diesem Schrank stehen die Kelche.

Es steht und fällt mit der Predigt

Nebenbei macht Jakob Geier seinen Doktor an der Uni Innsbruck über die Lehre des Glaubens. Das Studium beansprucht seine Zeit von Montag bis Freitag, am Wochenende ist er dann für den Seelsorgeraum Bludenz tätig, leitet Gottesdienste und gestaltet die Messen für Hochzeiten und Taufen. Was man nicht sieht: Für einen Gottesdienst muss sich der junge Kaplan vorbereiten und Predigten schreiben. „Meine Predigten entstehen beim Spazierengehen oder beim Lesen von Bibelkommentaren.“ Eine Predigt sollte Hand und Fuß haben, einen roten Faden haben. Die Kunst bestehe darin, den Bibeltext mit dem Heute in Verbindung zu bringen. Es sei eine Challenge, den Inhalt der Bibel den Leuten interessant zu machen. Den Kontext müsse man immer neu erfinden. Dabei wechselt das Bibelbuch alle drei Jahre, denn es ist vorgegeben, welche Stelle aus der Bibel man an welchem Tag im Jahr vorlesen muss. „Es gibt für jeden Tag im Jahr eine Leseordnung“, erklärt Jakob Geier.

Es gibt für jeden Tag eine Leseordnung.
Es gibt für jeden Tag eine Leseordnung.
Übrigens: Im Kelch ist aus Reinigungsgründen kein Rotwein, sondern ein Weißwein drin. Der Kaplan könnte sich theoretisch sogar selbst einen Wein aussuchen. Voraussetzung: Er muss ein reiner Traubenwein sein.
Übrigens: Im Kelch ist aus Reinigungsgründen kein Rotwein, sondern ein Weißwein drin. Der Kaplan könnte sich theoretisch sogar selbst einen Wein aussuchen. Voraussetzung: Er muss ein reiner Traubenwein sein.

Wenn er zwischen Studium und Gottesdiensten Zeit hat, dann trifft er sich mit Freunden im Café, liest Bücher und geht spazieren oder wandern. Was er auch gerne macht: Neues anschauen und das Land erkunden. So hat er sich vorgenommen, alle 277 Gemeinden in Tirol zu besuchen. „70 Prozent habe ich geschafft“, schmunzelt er. „Ich kenne Tirol ganz gut.“ Mit einer Landkarte hat er mit roten Punkten markiert, wo er schon überall gewesen ist. Für Vorarlberg hat er noch keine Landkarte, doch auch hier hat er schon einige Gemeinden besucht. Was ihm noch fehlt: das hintere Montafon und Teile des Bregenzerwaldes. Natürlich besichtigt er auch in jeder Gemeinde die Kirche. Die schönsten Kirchen haben seiner Meinung nach Laterns, Feldkirch mit seinem Dom, Koblach und Damüls.

Was ein Priester gegen die Kälte in der Kirche macht? "Eine Heizjacke, ohne Ärmel und Kragen, anziehen", sagt Jakob Geier.
Was ein Priester gegen die Kälte in der Kirche macht? “Eine Heizjacke, ohne Ärmel und Kragen, anziehen”, sagt Jakob Geier.
Musik spiele bei den Messen eine tragende Rolle, ist sich Jakob Geier sicher. <span class="copyright">SCO</span>
Musik spiele bei den Messen eine tragende Rolle, ist sich Jakob Geier sicher. SCO
Die Kinder hatten beim Fronleichnamsfest vor einem Jahr große Freude und streuten Blütenblätter auf den Kirchplatz.<span class="media-container dcx_media_rtab" data-dcx_media_config="{}" data-dcx_media_type="rtab"> </span><span class="copyright">sco</span>
Die Kinder hatten beim Fronleichnamsfest vor einem Jahr große Freude und streuten Blütenblätter auf den Kirchplatz. sco

Die Mitte fehlt

Der 28-Jährige erkennt, dass in den Gottesdiensten gerade die Mitte fehlt, die 15- bis 60-Jährigen, die der Kirche fernbleiben. Bei den Kindergottesdiensten bemerkt Jakob Geier eine Begeisterung. „Die Kinder sind mit ganzem Herzen dabei. Sie feiern und singen mit einer innerlichen Freude“, schwärmt er. Dann ist eine große Lücke bis ins Pensionsalter. Die Pensionisten finden wieder zu Gott, wollen sich ins gesellschaftliche Leben einbringen. Auch er hat sich die Frage gestellt, wie man die Kirche attraktiver gestalten kann. Seine Antwort: „Eine gute Predigt: verständlich, lebensnah, nachvollziehbar, inklusiv, eine klare Botschaft.“ Musik sei in einer Messe auch sehr wichtig. „Die Leute kommen, weil es die Musik gibt“, ist Jakob Geier überzeugt. Die African Mess kurz vor Weihnachten war zum Beispiel rappelvoll. Was mittlerweile aber auch bei vielen Leuten fehle, sei die Identifizierung mit der eigenen Gemeinde, das Zugehörigkeitsgefühl. Wenn 200 Leute zur Messe gehen, ist es gemessen an der Einwohnerzahl nur eine geringe Prozentzahl.

Die Predigten schreibt Jakob Geier selbst.
Die Predigten schreibt Jakob Geier selbst.
Für ihn kam noch nie etwas anders infrage, als Pfarrer zu werden.
Für ihn kam noch nie etwas anders infrage, als Pfarrer zu werden.

Als er selbst Kind war, haben ihm die Gottesdienste immer schon gefallen. Und auch die Aufgaben, die man übernimmt – er war Ministrant, bei der Jungschar und bei der Jugendgruppe – haben es ihm angetan. „Ich war Teil der Gemeinschaft.“ So ist er seiner Linie treu geblieben und konnte sich beruflich nie etwas anderes vorstellen. „Ich habe einmal ein Experiment gestartet“, erzählt Jakob Geier. „Wie würde mein Leben ohne Kirche aussehen?“, fragte er sich eines Tages. Dann hat er sich aus dem kirchlichen Umfeld zurückgezogen, war nicht mehr in den Gremien tätig. „Da fehlte etwas. Ich habe mich unvollständig gefühlt.“ Da wusste er: Ohne Kirche würde sein Leben viel ärmer sein. VN-JUN

Gerade die Mitte, also die 15- bis 60-Jährigen fehlen bei den Gottesdiensten.
Gerade die Mitte, also die 15- bis 60-Jährigen fehlen bei den Gottesdiensten.

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Kinderkirche mit Kaplan Jakob Geier. <span class="copyright">SCO</span>
Kinderkirche mit Kaplan Jakob Geier. SCO

Die 50 Köpfe 2024

Eine Juristin mit Leidenschaft für Diamanten – Katharina Kopf

Der Lenz ist da und will noch viel mehr – Lenz Moosbrugger

“Ich möchte Pianist werden” – Aljosa Marinkovic

Das berufliche Glück in der Pflege gefunden – Merle Koch

Er macht mit seinem Bilderbuch Religion kinderleicht – David Dünser

Eine zielsichere Kandidatin für die Heim-EURO – Viktoria Marksteiner

Ein Geschäftsführer, der auf Mitarbeiterbeteiligung setzt – Alexander Einetter

Auf dem Weg zur europäischen Spitze im Radsport – Johanna Piringer

Er rüstet Vorarlberg für die digitale Transformation – Florian Buehler

Sie setzt sich für Frauen und Gleichstellung ein – Carina Ebenhoch

Musikalisches Talent und ehrenamtliches Engagement – Johannes Hinteregger

Jüngster Abteilungsmeister mit großer Verantwortung – Lukas Schupp

Ausnahmetalent aus Syrien gewinnt Physikolympiade – Abdul Rahman Najeeb

Vom Verletzungsrückschlag zum Kampf um die Top 30 – Noel Zwischenbrugger

Von der Turnmatte in die Molekularbiologie – Johannes Schwab

Ein Geiger zwischen Virtuosität und Sensibilität – David Kessler

Schillernde Auftritte mit wichtiger Botschaft – Verena Giesinger
Tore sind sein Markenzeichen – Fabio Ebner