Warum Tourismus in alter Form nicht mehr funktioniert

VN / 11.03.2024 • 17:15 Uhr
Warum Tourismus in alter Form nicht mehr funktioniert
Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler sieht die Notwendigkeit von Strategieänderungen im heimischen Tourismus. VN/Hartinger

Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler über die Strategien der Zukunft.

Schwarzach In Vorarlberg ist laut Landesrat Christian Gantner der Tourismus der “Herzmuskel des Wirtschaftskörpers Vorarlberg.” Dieser Herzmuskel muss aufgrund des Klimawandels nun mit neuem Programm trainert werden. Das meint auch Tourismusstaatssekretärin Susane Kraus-Winkler (68, ÖVP) im Interview mit den Vorarlberger Nachrichten.

Frau Staatssekretärin, Winter ohne Schnee häufen sich. Was fällt da der Tourismuspolitik ein, um sich darauf einzustellen?

Wir sind im Tourismus in einer Transformationsphase. Wir haben in den letzten Jahren eine Form von Tourismus aufgebaut, von der wir glaubten, es bleibt alles soll. Der Vorteil ist, dass wir in Österreich zwei Saisonen haben. Der Ganzjahrestourismus nimmt zudem einen größeren Anteil ein. Die Herausforderungen in Sommer und Winter sind unterschiedlich. Früher war bundesweit der Sommer stärker als der Winter. Das ist nun ausgeglichen. In Vorarlberg ist freilich der Winter stärker als der Sommer.

Welche Änderungen werden auf uns zukommen?

Wir müssen alternative Wintersportangebote entwickeln, weil es Schnee beständig nur noch über 1200 Meter, vielleicht 1500 Meter geben wird. Es werden Mittelstationen in Skigebieten eine höhere Bedeutung bekommen, und die müssen infrastrukturell entsprechend adaptiert werden. Das bezieht sich zum Beispiel auf ein verbessertes gastronomisches Angebot. In Niederösterreich etwa müssen Radsport- und Mountainbike-Aktivitäten das ganze Jahr hindurch angeboten werden. Wir haben uns mit der Österreich-Werbung schon überlegt, wie alles weitergehen wird. Unter anderem Sportartikelproduzenten geben uns diesbezüglich die Richtung vor.

Schnee Schneemangel Skigebiete Skifahren milder Winter Ski Skisport Drohne Bild von oben Luftbild Luftaufnahme Drohnenfoto Drohnenbild Lifte Schetteregg
Der Schneemangel begleitet Wintersaisonen fast schon jedes Jahr. Im Tourismus wird man sich darauf einstellen müssen. VN/Paulitsch

Was sollen jene Hotellerie- und Gastronomiebetriebe machen, die nicht mehr vom Schnee profitieren können?

Wir müssen die Betriebe in kritischen Gebieten so am Markt platzieren, dass man sie trotzdem mit Winterurlaub assoziiert. Dazu gehört ein breites Spektrum an Angeboten, das den Wintertourismus in seiner ganzen Fülle abdeckt. So müsste es etwa Shuttledienste geben, die Skifahrerinnen und Skifahrer in jene Regionen bringt, wo man Skifahren kann.

Stichwort Skifahren. Dieser Sport scheint wegen der Preisexplosionen immer mehr zu einem Privileg für Reiche zu werden. Skifahren kann sich längst nicht mehr jeder leisten.

Es gibt in Kooperation mit der Wirtschaftskammer und der Seilbahnwirtschaft sehr viele Initiativen. Es gibt finanzielle Unterstützungen, für Skikurse und Schulskikurse. Die Seilbahnwirtschaft weiß ja auch ganz genau, dass sie sich um Kundinnen und Kunden von morgen bemühen müssen. Natürlich ist Skifahren teuer geworden. Aber welche Sportart ist heute überhaupt noch billig? Wir reden sehr intensiv mit den Seilbahngesellschaftern, um leistbare Angebote zu schaffen.

Schulskitag im Skigebiet Laterns
Bei den Skischultagen soll Kindern Appetit auf den Skisport gemacht werden. Das gelingt auch. Nur ist vielen das Skifahren nachher zu teuer. VN/Lerch

Der Tourismus braucht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es gibt eindeutig zu wenige davon. Was tun als politisch Verantwortliche für diese Branche?

Das ist in der Tat ein großes Thema. Wir brauchen mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als je zuvor. Mit dieser Herausforderung sind wir nicht allein. Wir suchen Personal aus dem EU-Raum und aus Drittländern. Natürlich wollen wir auch heimische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausbilden. Die Zahlen in den Tourismusschulen sind nicht mehr jene, wie noch vor 15 Jahren. Die Lehrlinge sind nicht mehr so viele wie früher. Wir müssen den Job wieder attraktiver machen. Da reichen die Maßnahmen von der Zurverfügungstellung von guten Quartieren, geht über die Führungsstruktur und reicht bis zu flexibleren Dienstzeiten.

Warum ist die Rekrutierung von Personal aus Drittländern bei uns so schwierig?

Dass wir in diesem Bereich Herausforderungen haben, ist offensichtlich. Die Rekrutierung müsste schneller und unbürokratischer vor sich gehen. Wir bräuchten etwa ein Westbalkankontingent wie es Deutschland hat. Bei uns gibt es nur ein bescheidenes Saisoniers-Kontingent von 4.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter österreichweit jährlich, während die Gesamtbeschäftigung im Tourismus bei 220.000 bis 250.000 Personen liegt. Es muss also etwas passieren.

Schüler empfehlen Weine zum Weihnachtsmenü, Tourismusschulen Bludenz, Schillerstraße 10, Fotos mit den Schülern (hoch, quer, mit Wein, beim Verkosten,..) und von den Weinflaschen (zum Freistellen)
Für die Gastronomie im Land werden natürlich auch an den heimischen Ausbildungsstätten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgebildet. Doch die allen können den Bedarf nicht abdecken. VN